Autonome Frauenhäuser in Mexiko in Gefahr

Gelder für Frauenhäuser für 2019 erst jetzt freigegeben / Laut UN Women werden neun Frauen am Tag landesweit umgebracht

  • Sonja Gerth, Mexiko Stadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl Mexiko mittlerweile die vierthöchste Fauenquote der Welt im Parlament besitzt und der neue Präsident Andrés Manuel López Obrador sich bemüht hat, ein annähernd paritätisch besetztes Kabinett zu ernennen, ist ein Jahr nach der Wahl nicht zu erkennen, wie die Regierung die extreme Gewalt gegen Frauen in den Griff bekommen will.

Neun Frauen werden laut UN Women pro Tag landesweit umgebracht. Jede dritte Frau über 15 gibt an, schon einmal eine Form von Gewalt erlebt zu haben. Dennoch haben die autonomen Frauenhäuser in diesem Jahr sechs Monate lang gezittert und protestiert, bis am 4. Juli endlich die Nachricht kam, dass die erste Finanzierungsrunde für die Betreiberinnen ausgeschüttet wird. Dabei gibt es ohnehin zu wenig Plätze, um bedrohte Frauen in Sicherheit bringen zu können: landesweit sind es nach Zählung der Organisation Fundar 72 Frauenhäuser, etwa die Hälfte davon öffentlich, die Hälfte autonom betrieben.

Der Streit um die Finanzierung reicht zum Anfang des Jahres zurück. López Obrador, kurz AMLO, hat sich in seiner Amtszeit die Bekämpfung der Korruption auf die Fahnen geschrieben. Dabei geht er aber nicht nur gegen Funktionär*innen und Unternehmer*innen, sondern auch gegen die Zivilgesellschaft vor. »Wie allgemein bekannt ist, haben wir beschlossen, keine Mittel aus dem Haushalt an soziale Organisationen, Gewerkschaften, Zivil- oder Bürgerbewegungen zu übertragen, um letztendlich mit der Mittlertätigkeit zu enden, die zu Undurchsichtigkeit und Korruption geführt hat«, heißt es in einem Dekret vom 14. Februar.

Diese Maßnahme hat auch andere Programme betroffen, aber die Situation der Frauenhäuser ist vor dem Hintergrund der Gewalt besonders besorgniserregend. »Ein Großteil des Personals ist solidarisch, sie haben bis jetzt ohne Lohn gearbeitet«, erklärte Teresa Blanco, Leiterin eines Frauenhauses in der Hauptstadt, bei einer Demonstration vor dem Nationalpalast Anfang der Woche. »Wir haben unsere Ressourcen versucht einzuteilen, Priorität haben Medikamente, rechtliche Formalitäten und Lebensmittel.«

»Es heißt jetzt, an Türen klopfen und versuchen, andere Spender*innen zu finden«, so Sabina Carrillo vom Frauenhaus »Empecemos Hoy« im Bundesstaat Mexiko. Ihre Einrichtung mit 6 Plätzen ist bei der ersten Ausschreibung sogar durchgefallen und hat gar kein Geld zu erwarten. »Es waren nur einige technische Kriterien«, kritisiert sie, »wie, dass wir zu wenig Kleidung und Schuhe hatten.« Genau wie das Netzwerk der autonomen Frauenhäuser (Red Nacional de Refugios, RNR) beklagt sie, dass die Regierung die im Haushalt vorgesehenen Gelder nach öffentlichem Druck zwar ausgeschrieben, aber keine transparenten Kriterien für die Vergabe aufgestellt hat. »Das hängt dann eher vom Bauchgefuehl der Inspekteurin oder des Inspekteurs ab«, so Wendy Figueroa vom RNR.

Ohnehin sind die Betreiberinnen der Frauenhäuser am meisten von einer Regierung enttäuscht, die einen Wechsel, sogar eine »Vierte Transformation« des Landes versprach, aber hinter allen Forderungen zum Schutz von Frauen zurückbleibt. Dass die Gelder der ersten Ausschreibung nun überwiesen wurden, bedeutet nur eine kleine Verschnaufpause. Die feministische Nachrichtenagentur Cimac, die die Entwicklung seit langem verfolgt, geht davon aus, dass AMLO spätestens 2020 ernst macht und den zivilen Organisationen nichts mehr gibt- auch wenn die Regierung bis dahin nicht in der Lage ist, die Zahl der wegfallenden Frauenhausplätze zu ersetzen.

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