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Spanien: Pedro Sánchez ging, um zu bleiben

Spaniens Regierungschef kündigt nach Denkpause Fortsetzung seines Mandats an

  • Ralf Streck, Tarragona
  • Lesedauer: 4 Min.
In einer Madrider Bar verfolgen die Menschen die Übertragung von Sánchez’ Rede.
In einer Madrider Bar verfolgen die Menschen die Übertragung von Sánchez’ Rede.

»Ich habe beschlossen, weiterzumachen«, erklärte der spanische Regierungschef Pedro Sánchez am Montag. Die Aufmerksamkeit war groß, seine Rede wurde live im TV übertragen. Der Sozialdemokrat hatte sich vergangenen Mittwoch zurückgezogen und alle Termine ausgesetzt. Auslöser war, dass ein Gericht Ermittlungen gegen seine Frau Begoña Gómez wegen Korruption und Einflussnahme aufgenommen hatte. Nach der Bedenkzeit trat er wie von den meisten erwartet nicht zurück. Er kündigte an, »mit noch mehr Kraft« zu regieren. Er wolle »der Welt zeigen, wie die Demokratie verteidigt wird«. Er bedankte sich für die »Solidarität«. Die hielt sich mit einer Demonstration von 12 500 Menschen in Madrid aber in Grenzen. Gegen seine Regierung hatte die rechte und rechtsextreme Opposition mehrfach Zehntausende in Madrid mobilisiert.

Sánchez regiert seit 2018 mit immer schwächeren Minderheitsregierungen. Die Angriffe hatten sich verstärkt, als die rechte Volkspartei (PP) bei den vergangenen Wahlen im Juli 2023 die meisten Sitze erhielt. Zur Regierungsbildung reichte es freilich nicht. Tagelang wurden Parteibüros der Sozialdemokraten (PSOE) belagert und auch gewaltsam angegriffen. Der PP-Chef Alberto Nuñez Feijóo konnte es nicht verdauen, dass seine Regierungsbildung mit der rechtsextremen Partei Vox scheiterte, da ihn sonst niemand unterstützte. Nuñez Feijóo fordert seither den Sturz von Sánchez und die rechtsradikale Vox will einen »Aufstand« gegen eine Regierung, die nun auch von der Partei des katalanischen Exilpräsidenten Carles Puigdemont abhängig ist. Dieser hat für die Unterstützung eine Amnestie für die Vorgänge rund um das Unabhängigkeitsreferendum 2017 in Katalonien durchgesetzt.

Ultrarechte haben keine sauberen Hände

Die Anzeige gegen Gómez kam von einer »Gewerkschaft«, die keine gewerkschaftlichen Aktivitäten hat. »Manos Limpias« (Saubere Hände) wird von Miguel Bernad geführt. Er wurde vom Nationalen Gerichtshof schon wegen Erpressung und Betrugs verurteilt und wird sogar von der Tageszeitung »ABC« als »Rechtsextremist« bezeichnet. Die Zeitung vom rechten Rand erklärt, dass Bernard einer der engsten Mitarbeiter von Blas Piñar war, der die extreme Rechte nach der Diktatur anführte.

Sánchez spricht zu Recht von einen »Sumpf« und von einer »Schmutzkampagne«, mit der das rechte Lager versuche, Politik zu machen. Sein Rücktritt hätte die Ansicht genährt, an den Vorwürfen sei etwas dran. Das ist in Bezug auf seine Frau Begoña Gómez nicht wahrscheinlich, die Staatsanwaltschaft hat die Einstellung der Ermittlungen bereits beantragt. Für die PSOE insgesamt basieren sie vor allem darauf, dass die sozialdemokratische Partei eine Maskenaffäre zu verkraften hat. In die »Koldo-Affäre« ist auch die frühere rechte Hand von Sánchez verstrickt. Das korrupte Netzwerk soll 53 Millionen Euro veruntreut haben. Der Ex-Transportminister José Luis Ábalos wurde sogar von seiner Partei aufgefordert, sein Parlamentsmandat niederzulegen. Auch die Frau von Sánchez soll Kontakte zu Mitgliedern des Netzwerks gehabt haben. In diesem Zusammenhang taucht auch Sánchez’ Ex-Gesundheitsminister Salvador Illa auf, Spitzenkandidat bei den Wahlen in Katalonien am 12. Mai.

Manos Limpias waschen schmutzige Wäsche

Die Anzeige gegen Begoña Gómez basiert nur auf Artikeln in rechten Medien. Deren Darstellungen könnten sogar falsch sein, räumt sogar Manos Limpias ein. Dass absurde Verfahren auf Basis von Fake-News in Spanien eingeleitet werden, ist aber nicht neu. Sogar gegen die Podemos-Partei und den Ex-Vizepräsident Pablo Iglesias wurde über Fake-Anschuldigungen aus den »Kloaken« ermittelt – den Verbindungen zwischen einer geheimen politischen Polizei, der Justiz und den Medien. Beteiligt war der Star-TV-Journalist Antonio García Ferreras. Er erklärte dem Chef der rechtsextremen Onlinezeitung OKdiario, Eduardo Inda: »Ich bring’ das.« Dabei wusste er, dass es fake und »viel zu plump« war, wie er in einem mitgeschnittenen Gespräch sagte. Konsequenzen hatte das für ihn auch im TV-Sender »La Sexta« nie.

Sánchez hatte dabei weggeschaut und sogar behauptet: »Spanien ist eine vollumfängliche Demokratie.« Jetzt, da seine Familie betroffen ist, will er eine »demokratische Erneuerung«. Er blieb aber nebulös, kündigte keine Maßnahmen an. Viele sprechen gerade deshalb in Katalonien von einem Wahltheater. Falsche Anschuldigungen gegen Katalanen, die zum Teil ins Gefängnis oder ins Exil mussten, hatten Sánchez und seine PSOE oft sogar beklatscht. Nötig wäre eine umfassende Justizreform. Denn für Ermittlungen wie gegen Gómez braucht es rechtsbeugende Richter, die sogar gegen Kriterien der Staatsanwaltschaft auf Basis von dubiosen Artikeln oder Nebenklägern ermitteln und anklagen. Das dürfte es nach geltenden Gesetzen aber nicht geben. Der Richter Manuel García-Castellón am Obersten Gerichtshof ermittelt sogar gegen Carles Puigdemont wegen »Terrorismus«, obwohl auch die Staatsanwaltschaft diesen in Katalonien nicht finden konnte. Er will damit die Anwendung des Amnestiegesetzes aushebeln. Es zirkuliert, verschickt auch vom Kontrollrat für Justizgewalt (CGPJ), sogar ein Leitfaden, um die Anwendung des Gesetzes zu verhindern, sobald es im Gesetzesblatt veröffentlicht ist. Der CGPJ wird von PP-Anhängern kontrolliert. Die Partei blockiert seit fünf Jahren die Erneuerung, um die Kontrolle über die Justiz nicht zu verlieren.

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