Aus der Garage in die weite Welt

Violinist Ara Malikian über die Kraft der Musik, Flüchtlinge, Jimi Hendrix und Mozart

  • Olaf Neumann
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie sind einer der bedeutendsten Geigenvirtuosen der Gegenwart, geben Konzerte in Madrid, Moskau, Peking, Mexiko, Buenos Aires, Santiago de Chile, Paris, London. Sie stammen aus Armenien und haben ihre Kindheit und Jugend in Libanon verbracht. Ist die Geige dort ein populäres Instrument?

Nein, eher exotisch. Aber es gibt sie auch in einer orientalischen Version. Und sie kommt in der arabischen Folk- und Popmusik sehr oft vor. Mein Vater hat jahrelang mit einer berühmten arabischen Sängerin gespielt: Fairuz, sie ist inzwischen 85 Jahre alt und gilt als die Mutter der libanesischen Nation.

Sie haben den Bürgerkrieg in Libanon in den 70er/80er Jahren miterlebt. War die Musik für sie eine Möglichkeit, diesen zu verdrängen?

Ja, sie hat mir dabei geholfen, die dramatische Situation wenigstens zeitweise zu vergessen. Wir mussten uns vor den Bomben in Tiefgaragen verstecken. Dort habe ich angefangen zu spielen. Zusammen mit Nachbarn und Freunden, die auch ihre Instrumente mitbrachten.

Später haben mich verschiedene Zufälle in verschiedenen Ländern immer wieder zurück in Garagen geführt, wo ich probte und studierte. Deshalb führte meine jüngste Tour, »The Royal Garage Tour«, durch die Garagen der Welt.

Das Leben geht übrigens auch in Kriegen weiter; jeder versucht, sein kleines Glück zu finden. Ich hatte großes Glück, konnte in Deutschland, in Hannover, studieren.

Sie waren der jüngste Student, der an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover jemals zugelassen wurde.

Ich war 1985 erst 15 und hätte eigentlich nicht zugelassen werden dürfen, aber dann hätte ich zurück in den Libanon gemusst. Dass nicht so entschieden wurde, dafür bin ich dankbar. Inzwischen habe ich in Spanien meine Heimat gefunden.

Erkennen Sie sich in den Flüchtlingen von heute wieder?

Ich erkenne mich in sehr vielen Menschen wieder, die ihre Heimat verlassen mussten. Einige Geschichten ähneln der meinen sehr. Ich weiß aber auch, dass ich viel mehr Glück in meinem bisherigen Leben hatte als viele Flüchtlinge von heute.

Gibt es einen speziellen Ara-Malikian-Stil?

Es hat lange Zeit gedauert, bis ich meinen eigenen Stil gefunden habe. Ich glaube, jeder Künstler hat seinen eigenen Stil. Ich spiele sehr viele eigene Kompositionen, aber auch Stücke von Bach, Schubert oder Tschaikowsky. In meinem Musikerleben musste ich auch Jazz, Blues und Musicals spielen - um zu überleben. Ich spiele gern die Songs der Beatles, von Jimi Hendrix, Led Zeppelin, Guns N’Roses, David Bowie etc.

Was reizt Sie als klassischen Musiker an der Rock- und Popmusik?

Ich spiele, was ich schön finde. Etwas, das ich beim Spielen nicht fühle, wird nie so gut rüberkommen, wie etwas, das dem Herzen entspringt.

Was mögen Sie an Led Zeppelin?

Led Zeppelin war eine fantastische Band. Sie hat sehr viel experimentiert und die Rockmusik revolutioniert. Sie hat mit Musikern aus verschiedenen Kulturen zusammengearbeitet. Led Zeppelin kannten sich mit indischer und orientalischer Musik aus. Bei Rock- und Popmusikern denkt man oft, dass sie nicht so gut ausgebildet sind wie klassische Musiker. Das stimmt aber so nicht. Rockmusiker spielen oft auf einem sehr hohen Niveau. Jimi Hendrix war ein Genie. Übrigens: Was wäre Mozart, wenn er in den heutigen Zeit leben würde?

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