Sechswöchiger Hungerstreik von Geflüchteten

In Österreich protestieren Menschen gegen ihre Unterbringung auf einem entlegenen Berg

  • Marion Bergermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einem seit sechs Wochen andauernden Hungerstreik protestieren Geflüchtete in Österreich gegen die Unterbringung im sogenannten Rückkehrzentrum Bürglkopf. Sie fordern eine Schließung dieser und einer weiteren Einrichtung in der Nähe Wiens sowie eine Verlegung in herkömmliche Unterkünfte in den Bundesländern. Laut der österreichischen Zeitung »Der Standard« wollen sie außerdem eine neuerliche Prüfung ihrer abgelehnten Asylanträge erwirken.

Die Unterkunft in Bürglkopf liegt auf dem gleichnamigen Berg in den Tiroler Alpen. Dort müssen diejenigen wohnen, die aufgrund fehlender Papiere oder unklarer Staatsangehörigkeit vorerst nicht abgeschoben werden können. Sie dürfen die Unterkunft zwar verlassen, müssen aber im Bezirk bleiben. Der nächstgelegene Ort ist neun Kilometer entfernt.

Seit November 2017 betreibt das Innenministerium die vorherige Geflüchtenunterkunft Bürglkopf als eines von zwei sogenannten »Rückkehrzentren«. Das andere befindet sich in Schwechat, in der Nähe des Flughafens Wien.

Am 3. Juni traten in der entlegenen Unterkunft auf dem Berg 17 Menschen in den Hungerstreik. Diese Woche waren es laut Unterstützer*innenkreisen noch eine Handvoll Menschen, die streikten. Eine genaue Zahl ließ sich bis Redaktionsschluss nicht feststellen.

Auf ihrer Facebookseite berichtete die Initiative »Bürglkopf schließen« Anfang dieser Woche, dass täglich Menschen von dort abgeholt und abgeschoben werden. Eine Mutter und ihr 16-jähriger Sohn seien in die Ukraine abgeschoben worden, obwohl sie freiwillig ausreisen wollten. Vergangene Woche schrieb die Initiative auf Facebook, dass einer der Hungerstreikenden an seinem 30. Streiktag festgenommen worden sei. Mehrere Personen hätten ins Krankenhaus gemusst.

Neben den Hungerstreikenden fordert auch eine Petition, dass die beiden Zentren geschlossen und die dort Wohnenden in herkömmliche Unterkünfte gebracht werden. Rund 3900 Menschen haben sie bisher unterschrieben.

Mehrere Stimmen aus Politik und Zivilgesellschaft haben sich diesen Forderungen angeschlossen. Der Präsident der Israelischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg, Günter Lieder, schrieb in einer Stellungnahme: »Eine Einrichtung wie das Rückkehrzentrum Bürglkopf in Fieberbrunn ist definitiv keine menschenwürdige Unterbringung für Asylwerberinnen und Asylwerber. Es erinnert viel mehr an ein Straflager aus längst überwunden geglaubten Zeiten.« Den Forderungen der Hungerstreikenden und der Petition schloss er sich an.

Von der Evangelischen Kirche kam eine Solidaritätsbekundung vom Superintendenten der Diözese Salzburg/Tirol, Olivier Dantine. Er forderte, dass eine »menschenwürdige Unterbringung« unabhängig vom asylrechtlichen Status gewährleistet sein müsse. Ihm zufolge erfülle »ein derart abgelegenes Quartier wie das Rückkehrzentrum Bürglkopf« diese Bedingungen nicht. Er erinnerte daran, dass es sich bei Geflüchteten oftmals um traumatisierte Menschen handelt, die »sich in prekären Lebenslagen« befinden.

Laut einem Bericht des »Standard« bat Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Die Grünen) den Innenminister Wolfgang Peschorn, die Einrichtung auf dem Bürglkopf zu schließen. Er forderte, die dort lebenden Geflüchteten »umgehend in einer adäquaten, menschenwürdigen Einrichtung« unterzubringen. In Innsbruck stünden genug freie Quartiere zur Verfügung.

Weitere Politiker*innen der Grünen und liberalen NEOS fordern die Schließung der Einrichtung. Im »Standard« sprach Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International in Österreich, von »bösartiger Behördenwillkür« bei der Unterbringung auf dem Bürglkopf.

Dem Medium zufolge gab es seit Beginn des Hungerstreiks keine Reaktion aus dem Innenministerium. Aus dem Büro des Innenministers sei lediglich der Kommentar gekommen, dass der Protest keine Auswirkung auf die Asylverfahren der Betroffenen habe, die allesamt negativ beschieden worden sind.

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