Wahlkampf bis der Arzt kommt

Gesundheitsstaatssekretär Andreas Büttner (LINKE) ist krank, schont sich aber nicht

Brandenburgs Gesundheitsstaatssekre Andreas Büttner (LINKE) ist krank. Sein Arzt in Templin hat ihm geraten, sich zu schonen. Doch er hat diesmal nicht auf ihn gehört. Denn es sind die letzten Tage vor der Landtagswahl am 1. September. Büttner kandidiert, und für seine Partei geht es ums Ganze, so der Wahlkampfslogan, der auf dem roten T-Shirt prangt, das sich Büttners Wahlkampfhelfer Ralf Wunderlich übergestreift hat.

Also besucht Büttner am Donnerstagmittag nicht seinen Hausarzt, sondern die Hautärztin Jutta Franz in Zehdenick. Unten auf dem Markt hat er zuvor drei Stunden am Infostand in der Sonne ausgeharrt und dann schnell einen Blumenstrauß geholt, bevor der die Stufen zu der Arztpraxis hinaufsteigt, die sich über einer Apotheke befindet. Denn die Dermatologin Jutta Franz ist am Mittwoch 65 Jahre geworden. Büttner gratuliert ihr also erst einmal nachträglich, bevor er sich nach der in ländlichen Regionen oft heiklen Frage der Nachfolge erkundigt.

Schließlich möchte Jutta Franz demnächst in Rente gehen. Aber sie kann ihre Patienten nicht einfach im Stich lassen. Normalerweise gilt die Faustregel, dass ein Dermatologe auf 30 000 Einwohner kommen soll. Doch sie ist für ein Einzugsgebiet von 120 000 Einwohnern zuständig, weil es zwischen Oranienburg bei Berlin und Neustrelitz in Mecklenburg keinen anderen Hautarzt gibt.

Mit etwas Glück hat Dr. Jutta Franz nun eine jüngere Hautärztin gefunden, die ihre Praxis übernehmen möchte. Ein Jahr lang will sie die Kollegin noch einarbeiten - erst bis Januar sie als Chefin und die Kollegin als Angestellte, dann bis August 2020 umgekehrt. Dann möchte Jutta Franz den Ruhestand genießen. Ehrenamtlich wird sie weiter kommunalpolitisch aktiv sein. Sie gehört zur Linksfraktion im Kreistag Oberhavel. Dem Berufspolitiker gibt sie noch etwas mit auf den Weg. Unbedingt gesichert werden müsse die Versorgung der älteren Menschen, die viel gearbeitet haben für wenig Lohn und nun deswegen nur eine schmale Rente beziehen.

Der Staatssekretär weiß um die Not vieler Senioren und ihrer Angehörigen und bedauert, dass es auf Bundesebene bislang nicht gelungen sei, die Eigenanteile bei den Pflegekosten zu deckeln. Auch mit Details des Ärztemangels ist er selbstverständlich vertraut. So schön und wichtig es ist, dass Jutta Franz eine Nachfolgerin gefunden hat. Die Gegend bräuchte eigentlich noch einen weiteren Hautarzt, am günstigsten in Templin. Die von Detlef Tabbert (LINKE) regierte Stadt würde alles in ihrer Macht stehende tun, sich um Kitaplätze kümmern, einen Hauskauf organisieren, wenn sich ein Dermatologe entschließen würde, sich in Templin niederzulassen. Es würde auch 50 000 Euro Starthilfe geben. Doch bisher hat sich niemand gefunden.

Gesundheit und Soziales, dass sind auch die Themen, für die sich die zumeist älteren Bürger interessieren, die am Vormittag zwischen den Verkaufsständen auf dem Markt schlendern und vor der Touristinformation auf Andreas Büttner treffen - und nicht nur auf ihn. Ein paar Schritte gegenüber steht sein Mitbewerber im Wahlkreis, Karsten Peter Schröder (SPD). Der Sozialdemokrat findet, unter Rot-Rot habe keineswegs Stillstand geherrscht. Die Koalition könnte fortgesetzt werden, aber die Umfragewerte beider Parteien geben das nicht her. Schröder hat die Befürchtung, dass es sogar für eine rot-rot-grüne Koalition eng werden könnte. Dann bliebe der SPD nichts anderes übrig, als mit der CDU zu regieren und als dritten Partner entweder die LINKE oder die Grünen dazu zu nehmen.

»Wer eine linke Regierung haben möchte, der muss die LINKE wählen«, empfiehlt Mitbewerber Andreas Büttner. Denn bei der SPD sei nicht sicher, ob diese sich mit der CDU einlasse. Für die LINKE bekennt Büttner: »Ich kann mir keine Koalition mit der CDU vorstellen. Ich wüsste nicht wie, auf welcher Grundlage. Die inhaltlichen Unterschiede sind einfach zu groß, und wenn CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben auch mit der AfD reden will, dann kann er für uns kein Partner sein.«

Eine alte Dame sagt SPD-Mann Schröder und seinen Genossen ordentlich die Meinung wegen Hartz IV. Die Frau nennt sich selbst eine »Wutbürgerin«. Sie sei wütend wegen der Kinderarmut, wegen der vielen kaputten Straßen und weil angeblich zu viele Flüchtlinge ins Land gelassen wurden anstatt sich um das eigene Volk zu kümmern. Dabei hat sie durchaus Mitleid mit den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien, fragt sich aber, warum die Bundesrepublik Waffen exportiert und sich dann wundert, wenn Flüchtlinge kommen. Kein Mensch verlasse gern seine Heimat, ist die alte Dame überzeugt. Die SPD, die CDU, die FDP will sie auf gar keinen Fall wählen. Vielleicht die AfD, obwohl sie - das sagt sie ausdrücklich in diesem Zusammenhang -, sich dies noch überlegen will, weil sie nicht möchte, dass es wieder so wird wie zwischen 1933 und 1945.

Dass es heute wieder schlimm wird, wenn die AfD die Landtagswahl am 1. September gewinnen sollte, glaubt eine andere Rentnerin. Sie erzählt am Stand von Andreas Büttner, dass sie ihre Kinder extra gebeten habe, dass diese ihre Stimme per Briefwahl abzugeben, bevor sie in den Urlaub fahren. Schließlich gehe es um ihre Zukunft, habe sie den Kindern gesagt.

Den Wahlkreis 10 hatte vor fünf Jahren Herr Henryk Wichmann von der CDU gewonnen. Er tritt nicht wieder an. Stattdessen kandidiert für die CDU Annett Polle. Für die Grünen geht Carla Kniestedt ins Rennen, ein aus dem rbb-Fernsehen bekanntes Gesicht. Ihre Karriere als Journalistin begann sie einst in der DDR bei der SED-Tageszeitung »Neues Deutschland«. Die AfD nominierte die Versicherungsmaklerin Sabine Barthel. Für die FDP kandidiert der Rechtsanwalt Stephan Freiherr von Hundelshausen. 2009 und 2014 hatte die FDP noch einen gewissen Andreas Büttner ins Rennen geschickt. Richtig: Jenen Büttner, der inzwischen in die LINKE übergetreten ist. Er war sogar einmal FDP-Fraktionschef im Landtag, hält die Politik der Liberalen aber inzwischen für unsozial.

Mit Platz zehn auf der Landesliste der Linkspartei hat Büttner ganz ordentliche Chancen, in den Landtag einzuziehen. Mit der FDP hatte er es 2014 nicht geschafft. Die FDP scheiterte damals deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Sie könnte jetzt wieder scheitern, wenn auch knapp. Das würde übrigens die Chancen einer rot-rot-grünen Koalition erhöhen. Kommt die FDP in den Landtag, wird es eng.

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