Sieg trotz Moskauer Schlappe

Bei Russlands Regionalwahlen bleibt Kreml-Partei stärkste Kraft

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Kreml bekundete am Montag Genugtuung. Für die Partei »Einiges Russland« seien die Wahlen insgesamt erfolgreich verlaufen, gab Präsidentensprecher Dmitri Peskow vor, »auch wenn sie an irgendeinem Ort verloren hat«. Hinweise auf eine mögliche Protestwahl der Moskauer hätten sich nicht bestätigt. Die »politische Lage hat sich nicht besonders verändert«, sekundierte »Iswestia«-Beobachter Dmitri Fetisow. Die Gouverneurswahlen und die Abstimmung über die örtlichen Volksvertretungen seien für die Kandidaten der Regierungspartei »Einiges Russland« oder vom Kreml unterstützte Bewerber erfolgreich verlaufen. Protestwähler seien nicht an die Urnen gegangen, wie die geringe Beteiligung zeige.

Ausgerechnet in dem Moskauer Wahlbezirk, wo Putin seine Stimme abgab, siegte der kommunistische Kandidat Nikolai Gubenko mit überzeugenden 58 Prozent. Der Präsident habe gesagt, er stimme für jemanden, den er selbst nicht kenne, berichtete Interfax: »Aber ich hoffe, er ist ein guter und ordentlicher Mensch.« Das könnte ja denn auch auf den Genossen zutreffen. Bei 21,6 Prozent Wahlbeteiligung gingen von 45 Sitzen in der Stadtduma 13 an Kommunisten, jeweils drei an die Liberalen von Jabloko und Gerechtes Russland. Bürgermeister Sergej Sobjanin kann sich aber weiterhin auf eine Mehrheit stützen.

Gegen die Kremlpartei hatten Oppositionelle wie Alexej Nawalny zu einer »smarten Stimmabgabe« aufgerufen. Die Bürger sollten alles wählen außer die regierende Partei, deren »Gauner und Diebe« keine Konkurrenz zugelassen hätten, zitierte die Nachrichtenagentur dpa die Moskauer Politikerin Ljubow Sobol. Sie war wie Dutzende andere Politiker wegen angeblicher Formfehler als Kandidatin nicht zugelassen. Umfragen hatten für die Kremlpartei massive Verluste vorhergesagt. Groß ist die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage im Land wegen des Mangels an Arbeitsplätzen und wegen niedriger Löhne, die Reform des Renteneintrittsalters war auf große Proteste gestoßen.

Die jetzigen Wahlen seien für den Kreml faktisch ein erster Test für kommende Urnengänge, schaut Anton Tschablin vom Portal »Swobodnaja Pressa« voraus. Im September 2021 stünden die russischen Parlamentswahlen und im Jahre 2024 der Abschied Putins als Präsident an. Der Kreml versuche deshalb, argwöhnt er, die gesamten Wahlen und die Macht vor Ort unter Kontrolle zu bekommen. Um die Risiken »beim Transit der Macht« zu verringern, bedürfe es vor Ort von Sankt Petersburg bis Bratsk loyaler Kräfte. Deshalb hätten die Wahlen nicht nur der Gouverneure, sondern auch der Bürgermeister, die sonst wenig Beachtung finden, für den Kreml größte Bedeutung. In verschiedenen Ecken des Landes sei ein bislang ungekannter »Einsatz administrativer Ressourcen« zu beobachten gewesen. Wie auch immer die Opposition ihren Moskauer Erfolg feiern mag, Mehrheiten wurden weder dort noch im Land insgesamt verändert. Putins Kremlpartei bleibt stärkste Kraft.

Der russische Wahlsonntag verlief im wesentlichen ruhig. 3654 Anzeigen von möglichen Rechtsverletzungen, die das Innenministerium am Mittag meldete, verteilen sich auf insgesamt 6015 Wahlen und Referenden in 85 Subjekten der Föderation. Zitiert wurde in russischen Medien eine Erklärung west- und osteuropäischer Beobachter, laut denen die Wahlen internationalen Standards entsprochen hätten. Beobachter der Menschenrechtsorganisation Golos berichteten allerdings von Hunderten Manipulationsversuchen und Behinderungen ihrer Arbeit. Vorwürfe der Medienaufsicht Roskomnadsor galten den US-Internetkonzernen Google und Facebook. Sie sollen sich mit Agitation am Wahltag in Russlands innere Angelegenheiten eingemischt haben. Eine Kommission im Parlament werde prüfen, ob ausländische Kräfte so versuchten, die Wahl zu beeinflussen. Auch die Videoplattform Youtube werde untersucht.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal