Koalition geht auf Nummer sicher

Rot-Rot-Grün will Polizei und Feuerwehr mit deutlich mehr Geld stärken

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 4 Min.

Lesungen von Haushaltsplänen sind parlamentarischer Alltag, was sie nicht weniger nervenaufreibend macht. Punkt für Punkt musste am Montagmittag der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses die einzelnen Posten der Aufstellung durchgehen, der alte Haushalt der Jahre 2018/2019 hatte ganze 575 davon. Bei jedem einzelnen können die Fraktionen Änderungsanträge stellen.

Die Quintessenz der Debatte: Die Regierungskoalition möchte in Sachen Innenpolitik der Polizei und der Feuerwehr den Rücken stärken. Das will die Koalition vor allem mit mehr Geld umsetzen. Von den rund 31 Milliarden Euro des Doppelhaushalts werden fast drei Milliarden dem Innensenat zur Verfügung gestellt.

Katastrophenschutz fährt Rostlauben

Berliner Hilfsorganisationen haben mit einer »Rostlauben«-Aktion auf ihre Lage aufmerksam gemacht. Dafür stellten sie am Montag zeitweise alte Einsatzfahrzeuge vor dem Abgeordnetenhaus ab. Die neun Fahrzeuge seien »keine Museumsstücke«, hieß es vom DRK-Landesverband Berliner Rotes Kreuz.

Der älteste der abgestellten Wagen stammt aus dem Jahr 1985, alle anderen aus den 1990er Jahren. Sie würden trotz ihres Alters regelmäßig eingesetzt, da ein moderner Fuhrpark aktuell nicht finanziert werden könne. Die Hilfsorganisationen fordern im Doppelhaushalt 2020/2021 eine Steigerung der finanziellen Ausstattung. dpa/nd

»Damit können wir ein mir wichtiges Ziel, mehr Personal für Polizei und Feuerwehr zu schaffen, weiter vorantreiben«, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) bereits im Juni. Dieses Ziel verfolgt die rot-rot-grüne Koalition nun weiter: Es sollen über die beiden Jahre hinweg mindestens 857 neue Stellen für die Polizei geschaffen werden.

»Wir bilden aus, wir stellen ein«, kommentiert das Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, am Montag. Rund 100 Stellen sollen auf dem Arbeitsmarkt bezogen werden, es handelt sich um Verwaltungsangestellte, aber auch Kriminaltechniker*innen. Bei der Feuerwehr sollen in den beiden Jahren 404 Stellen hinzukommen.

Auch die Besoldung der Beamt*innen soll sich ändern: Es wird eine kontinuierliche Anhebung auf den Durchschnitt der Bundesländer angestrebt. In einer gemeinsamen Mitteilung schreiben die Koalitionsfraktionen: »Wir wollen die Arbeitsbedingungen weiter verbessern.« Dabei lege man einen Fokus auf die Vollzugs- und Rettungskräfte. Im gleichen Atemzug bekräftigen die Fraktionen des Mitte-links-Bündnisses auch ihren Willen, die Mittel für die Behörden entgegen dem Entwurf des Senats noch einmal zu erhöhen. Im Innenauschuss hieß es, es sollten noch mal drei Millionen Euro draufgesattelt werden.

Ein großer Punkt ist auch die Investition in Fahrzeuge und Gebäude. »Wir betreiben als Rot-Rot-Grün so eine Art systematischen Wiederaufbau«, sagt Schrader. Man ist von den Sparmaßnahmen der vorherigen Regierung weg und investiert nun. Es sollen beispielsweise neun neue Rettungsfahrzeuge für die Feuerwehr gekauft werden. War zuvor bei den hierfür vorgesehenen Mitteln noch ein Nullposten verzeichnet, wurde dieser seit 2016 wieder aufgefüllt, in dem jetzigen Plan sind 23 Millionen Euro vorgesehen.

Die Opposition im Abgeordnetenhaus hat trotzdem Kritik: »25 Millionen würden ausreichen, um den Status Quo zu erhalten«, kritisiert Marcel Luthe von der FDP.

Doch abseits von Fahrzeugen muss auch in technisches Gerät investiert werden: Die Polizei soll sich neue mobile Blitzer anschaffen, um die Raserei anzugehen. Das Landeskriminalamt wird mit neuer operativer Technik ausgerüstet. Was das genau sein soll, bleibt offen, Geld wird trotzdem dafür benötigt. Auch das Anti-Terror-Zentrum des Staatsschutzes in der Tempelhofer Ringbahnstraße soll mehr Mittel zum Aufbau zur Verfügung haben. Zusätzlich kommt noch der Ausbau der Fahrradstaffeln der Polizei hinzu.

Der oppositionellen CDU missfällt der Entwurf dennoch: »Sie handeln nicht«, wirft Fraktionschef Burkhard Dregger dem Senat vor. Die Durchsetzung des Rechtsstaats sei eine Ausnahme, Kreuzberg angeblich bereits im Gesamten ein kriminalitätsbelasteter Ort. Dagegen fordert die Oppositionsführung mehr Videoüberwachung und sogenannte Bodycams. Auch für Handyüberwachung, elektronische Fußfesseln und Schleierfahndung gebe es im Haushaltsplan keinen Platz.

Das sind jedoch eher politische Probleme, die nicht viel mit der finanziellen Planung zu tun haben. Ähnlich wie die Lösung der Konservativen: »Wir müssen reagieren«, so Dregger. Das heißt für ihn: Mehr abschieben. Zusammen mit der AfD hat die Union auch noch einen weiteren Feind ausgemacht: das kommende Antidiskriminierungsgesetz in den Sicherheitsbehörden. Damit würde man die Beamt*innen unter Generalverdacht stellen, hieß es. Man wisse nicht mehr, was man sagen dürfe.

Gegen die Forderung, Täter nach Ethnie aufzuschlüsseln, stellen sich die Koalitionsfraktionen: »Das sollten sie sich noch mal überlegen, Herr Dregger«, sagt Frank Zimmermann (SPD). Die Ausführungen der CDU zeigten, dass sie keine Alternative zum Haushaltsplan habe, da sie nur politische Fragen in den Raum werfe.

Derweil loben die Grünen den Entwurf für den Doppelhaushalt, der noch vom Hauptausschuss besprochen wird und dann vom Parlament beschlossen werden muss. »Dieser Senat und die rot-rot-grüne Koalition können öffentliche Sicherheit«, sagt Benedikt Lux, der Innenexperte der Grünen. Kommentar Seite 8

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