Noch drei Monate Gnadenfrist für Tram 21

Bauarbeiten zur Teilstilllegung nahe Ostkreuz sollen im November starten

Berliner Straßenbahn
Berliner Straßenbahn

Es ist ziemlich genau zwölf Jahre her, dass mit der Verbindung zum U-Bahnhof Schwartzkopffstraße in Berlin zuletzt eine Straßenbahnstrecke stillgelegt worden ist. Sie wich zugunsten der Tramverbindung zum Hauptbahnhof. Am 22. November sollen nun wieder Straßenbahngleise ihren Sinn verlieren. Diesmal geht es um rund 900 Meter im Zuge der Boxhagener- und Marktstraße in Friedrichshain und Rummelsburg, die noch von der Linie 21 befahren werden.

Das geht aus einer aktuellen Ausschreibung der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hervor. Unter dem Titel »Gleiserneuerung Wismarplatz und Marktstraße« sucht der Landesbetrieb derzeit Unternehmen, um eine Weiche in der Boxhagener Straße im Bereich des Kreuzungsdreiecks mit Krossener- und Gryphiusstraße einzubauen. Außerdem sollen 80 Meter Gleis im Bereich der Haltestelle Marktstraße erneuert werden.

Der dritte und kleinste Teil des Auftrags ist eine sogenannte Suchschachtung zwischen den Schienen ein Stückchen weiter stadtauswärts im Bereich der Eisenbahnbrücken. Mit ihr soll herausgefunden werden, wo genau und in welcher Tiefe hier der verrohrte Ruschegraben verläuft. Dabei dürfte es sich um Vorarbeiten für die Neubaustrecke Ostkreuz handeln, denn hier sollen die neuen Gleise an die Bestandsstrecke angeschlossen werden.

Einstellung nach 118 Jahren

Mit Beginn der Arbeiten wird die Linie 21 für einen unbestimmten Zeitraum in zwei nicht miteinander verbundene Abschnitte geteilt sein. Der Bereich zwischen den Haltestellen Holteistraße und Marktstraße wird nach 118 Jahren endgültig den Straßenbahnverkehr verlieren. Er ist als Teil einer Verbindung von der heutigen Karl-Marx-Allee zum Bahnhof Lichtenberg am 15. August 1907 eröffnet worden.

Grund ist der marode Gleiszustand, weswegen die Technische Aufsichtsbehörde mit einer Sperrung droht. Seit Jahrzehnten ist kaum noch etwas in den Abschnitt investiert worden, weil die Strecke durch eine neue Führung über die Sonntagstraße und den Bahnhof Ostkreuz ersetzt werden soll. Doch das Projekt verzögerte sich Jahr um Jahr wegen zahlreicher Fehler im Planfeststellungsverfahren. Dreimal sind die Unterlagen bereits ausgelegt worden, zuletzt im vergangenen Jahr.

Wegen des seit vielen Jahren demnächst bevorstehenden Baurechts für die neue Führung über das Ostkreuz wird eine Grunderneuerung des Abschnitts von BVG und Senat abgelehnt. Auf 3,5 Millionen Euro wurden die Kosten dafür zuletzt beziffert. Nun wird für rund 1,4 Millionen Euro eine Weiche eingebaut und das Gleisstück an der Marktstraße erneuert. Die geschätzten Kosten beinhalten auch den späteren Ausbau der Weiche im Falle einer Inbetriebnahme der Tram Ostkreuz.

Mit Beginn der Arbeiten wird die Linie 21 für einen unbestimmten Zeitraum in zwei nicht miteinander verbundene Abschnitte geteilt sein.

Mit dem Einbau der Weiche wird das stadteinwärts führende Gleis in der Boxhagener Straße abgeklemmt. Ob die vom Frankfurter Tor kommenden Bahnen noch bis in den Bereich der Haltestelle Holteistraße fahren werden oder ob für Fahrgäste dann bereits Schluss ist, hatte die BVG auf mehrfache »nd«-Anfrage nicht klar beantwortet.

Immerhin ist durch den Auftrag zur Gleiserneuerung klar, dass die aus Schöneweide kommenden Bahnen der Linie 21 bis zur Haltestelle Marktstraße Fahrgäste befördern werden und nicht bereits am S-Bahnhof Rummelsburg Schluss sein soll. Auch hier zierte sich die BVG bisher mit einer klaren Aussage. Wegen der dort bereits bestehenden Eingleisigkeit ist keine zusätzliche Weiche nötig, damit Straßenbahnen wenden können.

Drei Wochen Bauzeit

Für Berliner Verhältnisse ist laut Ausschreibung eine erstaunlich kurze Bauzeit vorgesehen: bereits am 12. Dezember sollen die Arbeiten beendet sein. Während der Baumaßnahmen werden die vom Bahnhof Lichtenberg kommenden Bahnen voraussichtlich bereits am Bersarinplatz wenden müssen, aus Schöneweide dürfte bis zum S-Bahnhof Rummelsburg gefahren werden.

Es bleibt zu hoffen, dass die Baufirma, die den Zuschlag bekommt, sich bei Genehmigungsfragen nicht vollständig auf die Angaben der BVG verlässt. Laut Ausschreibung befinden sich alle Bereiche im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Marktstraße und Karlshorster Straße gehören allerdings schon zu Lichtenberg.

Hoffnung für Ostkreuz-Neubau

Dass möglicherweise das Endlos-Planfeststellungsverfahren bald vor einem Abschluss steht und die Bauarbeiten endlich beginnen können, darauf deutet ein von der BVG veröffentlichtes Ausschreibungsergebnis hin. Sie hat ein Büro beauftragt mit der »Vorbereitung der Vergabe« und der »Mitwirkung bei der Vergabe« für die Neubaustrecke Ostkreuz. Warum sollte man sich Hilfe für die Beauftragung von Bauunternehmen holen, wenn man nicht von einem zügigen Baubeginn ausgeht?

So oder so dürfte die Linie 21 wegen der Teilstilllegung der Altstrecke bestenfalls nur zwei Jahre unterbrochen sein. Ob die Fahrgäste in der Zeit auf die parallel verkehrende Buslinie 240 verwiesen werden oder ein separater Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet wird, auch darüber wollte die BVG bisher nur »rechtzeitig«, aber noch nicht jetzt informieren.

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