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Zurück in die Zukunft als Opposition

Nach zehn Jahren Rot-Rot darf die Linkspartei aufatmen, verliert aber an Einfluss.

Nach wie vor sitzt Linksfraktionsgeschäftsführer Thomas Domres in seinem angestammten Büro im Potsdamer Landtag. Insofern hat sich für ihn nichts geändert. Doch Brandenburgs Linkspartei steht nach der Landtagswahl vom 1. September vor einer einschneidenden Veränderung. Sie wechselt nach zehn Jahren Rot-Rot in die alte Oppositionsrolle zurück.

»Wir können regieren und Opposition«, hat der jetzige Fraktionschef Sebastian Walter schon vor der Wahl versichert. Das gilt es nun zu beweisen. Der Abgeordnete Christian Görke, der bis zur Ernennung eines Nachfolgers noch Finanzminister ist, hat sich bereits wie ein Oppositionspolitiker benommen, als er scharf den Plan der neuen rot-schwarz-grünen Koalition rügte, einen Zukunftsinvestitionsfonds durch eine Neuverschuldung in Höhe von einer Milliarde Euro zu finanzieren. Davon abgesehen war allerdings noch nicht viel zu hören. Die Parteispitze wirkt seit Wochen wie abgetaucht.

»Wir werden eine engagierte Oppositionsarbeit leisten«, glaubt Fraktionsgeschäftsführer Domres. Als sachlich und konstruktiv, aber auch kritisch beschreibt er den geplanten Kurs. Leihstimmen werde man nicht zur Verfügung stellen, wenn sich SPD, CDU und Grüne nicht einig sind. Man werde aber auch nicht bloß aus Prinzip alles ablehnen, was von der Koalition komme. Denkbar wären einige gemeinsame Anträge. Schließlich habe Rot-Rot in den zurückliegenden zehn Jahren auch punktuell gemeinsam mit einzelnen Oppositionsfraktionen Anträge eingebracht und beschlossen.

»Ich hoffe, dass CDU und Grüne nicht vergessen, dass wir mit der Opposition fair umgegangen sind«, sagt Domres. »Ich erwarte, dass das Bestand hat.« Natürlich sei Regieren »schöner«, bestätigt er. Als Opposition arbeite man leider viel »für den Papierkorb«. Das sei »frustrierend«. Andererseits könne es auch befreiend wirken, Opposition zu sein. Domres nennt als Beispiel Ideen für die Forstwirtschaft. Diese Ideen kann die LINKE jetzt unbefangen einbringen. Bisher musste sie sich mit dem zuständigen Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) abstimmen, was in der Regel ein schwieriges Unterfangen war.

Für Thomas Domres ist die Oppositionsrolle kein Neuland. Er gehört dem Landtag seit 1999 an, hat also je zehn Jahre Opposition und Koalition miterlebt. Das verlernt man nicht, meint er. Auch Christian Görke war schon dabei, als die LINKE noch Opposition war. Oppositionserfahrung hat außerdem Andreas Büttner vorzuweisen, allerdings in einer anderen Partei. Er war FDP-Fraktionschef, bevor er in die Linkspartei wechselte.

Ganz neu im Landtag sind drei Abgeordnete. Für sie macht es keinen Unterschied. Sie müssen sich so oder so in eine neue Aufgabe hineinfinden. Bisher nur Rot-Rot kennen die übrigen vier Abgeordneten der Linksfraktion. Bettina Fortunato gehört dazu. Sie hat ab 2009 die kompletten zehn Jahre Regierungsfraktion mitgemacht. Wie sie sich nun in der Opposition fühlen wird, weiß sie nicht. »Es ist ja noch nicht viel passiert«, sagt sie. »Im Wahlkreis arbeite ich genauso wie vorher.« Opposition geübt hat sie schon im Kreistag. Aber das ist etwas anderes. Die Linksfraktion sei nun nicht mehr in der Rolle, die Regierungspolitik manchmal erklären zu müssen. »Dafür haben wir weniger Gestaltungsmöglichkeiten. Das ist klar. Wir werden lernen müssen, damit umzugehen.« Nach Ansicht von Fortunato wird das spannend - und anstrengend. Denn die Arbeit, die sich 2009 bis 2014 auf 26 Abgeordnete verteilte und in der folgenden Legislaturperiode auf 17, die muss jetzt, nach der zweiten Wahlschlappe in Folge, von nur noch zehn Männern und Frauen erledigt werden. Nicht nur die Fachgebiete werden weiter gefasst, auch die regionale Arbeitsteilung. Fortunato zum Beispiel ist nun für den kompletten Kreis Märkisch-Oderland und für die benachbarte Stadt Frankfurt (Oder) zuständig, Thomas Domres für die Prignitz hoch im Norden und Elbe-Elster tief im Süden. Das ist eine Herausforderung. Doch Fortunato ist zuversichtlich: »Wir sind fleißige Arbeiter und werden das hinkriegen.«

Auch in Berlin hatte die Linkspartei nach fünf bzw. zehn Jahren rot-roter Senat jeweils dramatische Verluste erlitten. Als es 2011 vorbei war, schien es, als werde die Linkspartei dort nun auf 20 Jahre hinaus Opposition bleiben. So sehr hatte sie Vertrauen verspielt. Doch in nur fünf Jahren gelang eine Revitalisierung - und 2016 die Rückkehr in einen nun rot-rot-grünen Senat. Ist etwas Vergleichbares in Brandenburg vorstellbar?

Nicht so leicht. Denn in Berlin bekommt die Partei ständig frisches Blut durch zugezogene Studenten. Die Berliner Abgeordnete Katalin Gennburg ist so ein Fall. Sie stammt aus Brandenburg. Doch auf dem Lande, in Gennburgs alter Heimat, werden die Genossen immer älter und sterben weg. »Wir haben, glaube ich, ein strukturelles Problem in Ostdeutschland«, so die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige. Der Wahlsieg in Thüringen ändere nichts daran. »Wir sollten nicht denken, dass jetzt einfach alles gut wird«, warnt Johlige, die seit 2014 im brandenburgischen Landtag sitzt.

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