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Wieder entscheidet Katalonien

In Spanien droht nach der Parlamentswahl ein erneutes Patt, Ministerpräsident Sánchez macht Versprechen

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 4 Min.

Der geschäftsführende spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez wird immer nervöser - und begeht massive Fehler im Wahlkampf. Denn die Umfragen zeigen immer deutlicher, dass sich keines seiner Ziele erreichen lässt, mit denen er die Neuwahlen angestrebt hat. Deshalb macht der Sozialdemokrat gleichzeitig fast allen Parteien Angebote, denen er zuvor mächtig vors Schienbein getreten hat. Dabei gibt es für ihn, das war schon zum Zeitpunkt der vergangenen Wahlen im April klar, nur einen Wunschpartner: die rechts-neoliberalen Ciudadanos (Cs).

Hätten die mitgespielt, hätte Sánchez eine stabile Regierung bilden können. Doch die Partei, unter einem - angesichts fataler Umfrageergebnisse - stetig gestresster wirkenden Parteichef Albert Rivera, hatte sich ihm verweigert. Der Grund: Sánchez hatte angekündigt gehabt, mit den Katalanen in einen demokratischen Dialog zu treten. Daraufhin ging die Cs klar auf Oppositionskurs. Zwar hat Sánchez dies nicht umgesetzt, trotzdem schloss Rivera mit der rechten Volkspartei (PP) Bündnisse in Andalusien und in Madrid, die zudem von der rechtsextremen VOX-Partei gestützt werden.

Diese Tatsache - und die, dass Ciudadanos Sánchez eine Mehrheit verweigerte, womit Spanien langsam den Ruf der Unregierbarkeit erhält - hat die Rechtsliberalen intern und extern zerrissen. Scharenweise haben einfache und Führungsmitglieder die Partei verlassen, da sie den liberalen Anschein endgültig abgelegt und sich als klare Rechtspartei geoutet hat. Ohnehin ist Rivera, wie auch VOX-Chef Santiago Abascal, ein ehemaliges Mitglied der PP.

Schaut man sich die Umfragen an, dann könnte Ciudadanos von derzeit knapp 16 Prozent und 57 Sitzen auf nur noch acht Prozent und 16 Sitze heftig abstürzen. Davon dürften die rechten und ultrarechten Originale profitieren. VOX könnte bei den kommenden Wahlen die Anzahl der Stimmen und Sitze erlangen, die bisher die Cs haben. Auch die PP könnte von knapp 17 auf 19 Prozent leicht zulegen, das entspräche etwa 80 anstatt 66 Sitzen.

Damit droht sich erneut die fatale Lage der vergangenen Wahl zu wiederholen: Weder die PP, in einem Dreierbündnis mit den beiden anderen Rechtsparteien nach den Vorbildern Andalusien und Madrid, noch Sánchez’ Sozialdemokraten (PSOE) - gemeinsam mit den Cs - erreichen eine Mehrheit. Tatsächlich droht die PSOE, angesichts ihres erratischen Kurses und der Erfolglosigkeit, wieder Stimmen an die Linke zu verlieren und nur noch auf etwa 120, anstatt auf 123 Sitze zu kommen.

Für den geschwächten Sánchez dürfte es dann noch schwerer werden, eine Regierung zu bilden, auch weil die Linke und die katalanischen Parteien gestärkt aus den Wahlen hervorgehen könnten. So bliebe ihm nur übrig, klar Farbe zu bekennen: Entweder er bildet eine große Koalition mit der PP oder er führt das Modell an, das er bisher verschmäht hat: eine Linksregierung mit Unterstützung aus dem Baskenland und Katalonien.

Sánchez Problem ist, dass er laut der letzten Umfrage deutlich mehr Parteien unter einen Hut bringen müsste, als nach den vergangenen Wahlen im April. Denn die Linkskoalition Unidas Podemos (Gemeinsam können wir es), in der auch die Vereinte Linke kandiert, hat sich gespalten. Gegen das Bündnis von Pablo Iglesias tritt mit Más Pais (Mehr fürs Land) der ehemalige Podemos Mitbegründer Inigo Errejón an und nimmt ihr Stimmen und Sitze ab. Im schlimmsten Fall verfehlt Más Pais den Einzug ins Parlament. Dann könnte es für das Rechtsbündnis reichen. Das ist aber sehr unwahrscheinlich.

Zudem müsste Sánchez für eine Links-Regierung nicht mehr nur die gestärkte Republikanische Linke Kataloniens (ERC) einbinden. Mit ziemlicher Sicherheit wird er die Stimmen von Carles Puigdemonts Gemeinsam für Katalonien (JxCat) benötigen. Während die ERC bereit war, ohne Bedingungen Sánchez zum Regierungschef zu wählen, stellt JxCat klare Forderungen.

Die Lage ist für den Hasardeur Sánchez fatal geworden. Nun versucht er wieder, Podemos zu umwerben, spricht davon, dass eine »progressive Regierung« die beste Lösung wäre. Die hat Sánchez aber selbst verhindert, weil er Podemos keinerlei Ministerposten geben wollte. Am Mittwoch bot er sogar den Katalanen eine Zusammenarbeit an, sollten die ihren »einseitigen Unabhängigkeitskurs« aufgeben.

Doch die sind nach den harten Urteilen gegen ihre Anführer gerade alles andere als gut auf Sánchez zu sprechen. Viele in Katalonien und dem Baskenland sehen sich in ihrer Ansicht bestätigt, dass es im Land keine Gewaltenteilung gibt. Sánchez hat versprochen, dass die Staatsanwaltschaft Puigdemont nach Spanien holen werde. Zuvor hatte bereits sein Vize Belgien offen mit Repressalien gedroht, sollte Puigdemont nicht an Spanien ausgeliefert werden. In einem Interview erklärte Sánchez, die Regierung habe die Staatsanwaltschaft zum dritten Mal angewiesen, einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont auszustellen. »Von wem hängt die Staatsanwaltschaft ab«, fragte der Regierungschef den Interviewer. »Ja, sie hängt von der Regierung ab«, gab der zurück. »Da haben sie es«, machte Sánchez klar.

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