Was zu lachen im Gewinnerland

Dietmar Woidke (SPD) gab im Landtag seine erste Regierungserklärung für die Koalition mit CDU und Grünen ab

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Die neue rot-schwarz-grüne Koalition will Brandenburg nach den Worten von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zur »Gewinnerregion im 21. Jahrhundert« entwickeln. Dieses Ziel verkündete Woidke am Mittwoch in seiner ersten Regierungserklärung im Landtag. Dazu brauche es Mut und Zuversicht, »und das Wichtigste ist: Vertrauen«. Aus den Koalitionsverhandlungen mit CDU und Grünen verriet Woidke: »Eine Bereicherung und Erleichterung war, dass wir gemeinsam lachen konnten.«

Ihr erstes Zerwürfnis hat die Koalition jedenfalls bereits hinter sich. Erst am Dienstag hatte sie darüber gestritten, wer eine Investition des Chemiekonzerns BASF in Schwarzheide verkünden darf und wann.

Die Lage sei insgesamt gut und geprägt von der niedrigsten Arbeitslosigkeit seit 1990, von einer leistungsfähigen, regional verankerten Wissenschafts- und Forschungslandschaft, von starken kleinen und mittleren Unternehmen, darunter solchen, die Marktführer seien, erklärte der Ministerpräsident. Brandenburg sei deutschlandweit führend bei den erneuerbaren Energien und liege im Ökolandbau vorn. Doch mit Blick auf die vergangenen drei Jahrzehnte konstatiert Woidke: Viele Menschen seien »der Veränderungen müde«.

Linksfraktionschef Sebastian Walter setzte sich kritisch mit den zentralen Begriffen in der Regierungserklärung auseinander. »Dass Sie gemeinsam lachen können, ist sicherlich schön. Hoffentlich haben die Brandenburger in den kommenden Jahren auch etwas zu lachen«, sagte Walter. Über die Gewinnerregion bemerkte er: »Wer sollen die Gewinner sein? Was bieten sie den Menschen?« Wenn Woidke verkünde, dass gute Lebensmittel nicht billig zu haben seien, dass die Landwirtschaft auch leben müsse, dann müsse er dafür sorgen, dass die Menschen in Brandenburg sich teure Lebensmittel leisten können. »Ja, die Statistiken sind gut. Aber das Leben spielt sich im Konkreten ab«, erinnerte der Linksfraktionschef. Er verwies auf die alleinerziehende Mutter, die Angst vor dem Öffnen ihres Briefkastens habe, weil der voller Mahnungen und Rechnungen stecke, die sie nicht bezahlen könne. »Es ist nicht so, Herr Ministerpräsident, dass die Zeit der schlechten Löhne vorbei ist.« Noch verdiene man in der Wirtschaft im Osten 600 Euro brutto weniger als in Westdeutschland. »Arbeitsplätze darf es nur noch mit guten Löhnen und guten Arbeitsbedingungen geben. Machen Sie keine Reklame für Billiglohnpolitik«, verlangte Walter. In mindestens einem Punkt ist Walter allerdings an der Seite von Woidke: »Wenn es gilt, Kante gegen rechts zu zeigen.«

AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz ließ an der Regierung kein gutes Haar und nannte sie eine Allianz der Verlierer. »Kenia, Syrien, Simbabwe - das ist schön bunt, sehr stabil klingt das alles nicht«, höhnte er und gab mit seinem Auftreten eine Probe davon, was im Parlament in Zukunft zu erwarten ist. Vor allem bemühte sich Kalbitz, Zwietracht zu säen. Der CDU warf er mehrfach vor, ihre eigenen Ziele und Grundsätze in dieser Kenia-Koalition über Bord geworfen zu haben, unter anderem bei der Bildung und bei der Sicherheitspolitik. Es sei kein Wunder, dass Sicherheitskräfte »in Scharen zur AfD überlaufen«. Ironisch dankte Kalbitz der CDU dafür, dass sie der AfD das »Alleinstellungsmerkmal der konservativen Volkspartei« überlassen habe.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann bezeichnete die Auslassungen von Kalbitz als »substanzlose Pöbelrede«. Selbst schimpfte Redmann, er erkenne zwar die Unterschiede zwischen Linkspartei und AfD, aber - »beide suchen ihr Heil in den Rezepten der Vergangenheit«. Linksfraktionschef Walter verleumde das Unternehmertum. Was Walter meine, sei Sozialismus. »Darüber sollte man sich keine Illusionen machen«, sagte Redmann.

Pèter Vida, der Fraktionschef der Freien Wähler, widmete sich zwei seiner Lieblingsthemen: der Abschaffung von Straßenerschließungsbeiträgen und der Begrenzung der Windenergie. Mit rund 4000 Windkraftanlagen habe Brandenburg seinen Beitrag zur Energiewende bereits geleistet. »Es werden nur noch Überkapazitäten geschaffen«, behauptete er. Die Folge sei der höchste Strompreis in ganz Europa.

In den bevorstehenden fünf Jahren werden sich in Brandenburg für viele Menschen die Dinge verbessern, kündigte Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke kühn an. Es gebe viele Orte, in denen sich die Bewohner abgehängt und einsam fühlten. Es gebe Müdigkeit und Wut. Daher müsse die Politik mehr politische Kraft auf die ländlichen Regionen verwenden und diese befähigen, sich »von unten« zu entwickeln. Für Raschke persönlich änderte sich schon einmal, dass seine Partei Dietmar Woidke nun als »unseren Ministerpräsidenten« bezeichnen könne. »Da schwingt ein wenig Stolz mit, aber ganz leicht fällt mir das noch nicht.«

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