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Spülen mit «Lady Plus»

Care und wie weiter? Technik entlastet Hausarbeit – zieht aber neue Lasten nach sich und ändert nichts an Ungerechtigkeiten

  • Kathrin Gerlof
  • Lesedauer: 5 Min.

Klarer Spitzenreiter ist der Staubsaugerroboter. Er erspart im Schnitt ganze 156 Stunden im Jahr – immerhin fast eine ganze Woche, die man sonst mit dem Schieben des normalen Hand- oder Bodenstaubsaugers verbringen würde.«

Das »HauseigentümerMagazin« macht schmackhaft, was allen gefällt: Zeitersparnis. Egal, wofür die 156 Stunden am Ende draufgehen, der Staubsaugerroboter ist erst einmal ein großes Versprechen. Und die Allzweck-Küchenmaschine, dreimal in der Woche zum Kochen benutzt, spart 80 Prozent Energie und 25 Stunden aufs Jahr gerechnet. Sind schon 181 Stunden. Nehmen wir in einem modernen Haushalt vielleicht noch Siri oder Cortana hinzu, die der Hausarbeitenden als digitale Sekretärin dienen können (passend nur mit weiblicher Stimme ausgestattet), kommen gewiss noch mehr Stunden zusammen.

Seit den 1920er Jahren – das 19. Jahrhundert war das der Dienstmädchen – gilt das Versprechen, dass der technische Fortschritt die Hausarbeit einfacher, hygienischer und professioneller macht. Vor allem aber, dass er Zeit spart. Die dann zum Beispiel für Fürsorge, emotionale und kommunikative Arbeit genutzt werden könne. Oder heute für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorge. Das klingt schon besser in einer europäischen Welt, in der der Anteil der Männer, die täglich Hausarbeit verrichten, bei 34 Prozent liegt (in Deutschland 29 Prozent). Bei Frauen sind es 79 Prozent. Von hier bis zum Gender Pay Gap ist es kein großer Gedankensprung.

Viele Feministinnen hingegen vertreten die Meinung, dass technischer Fortschritt, der Einzug hält in Küchen, Hauswirtschaftsräume und Besenkammern, am Ende mehr Zeit kostet, weil gleichzeitig die Standards, also Ansprüche steigen. Der kollektive Waschtag wird ersetzt durch tägliches Wäschewaschen. Bereits in den 1970er Jahren stellte der Professor für Organisation und Personalwirtschaft, Ernst Zander, Studien vor, die das unterlegten: höherer technischer Standard, höhere Ansprüche, keine Zeitersparnis.

Die Expertin für Technikgeschichte, Martina Heßler, veröffentlichte 2001 das Buch »Mrs. Modern Woman«, in dem sie beschreibt, dass der Haushalt mit fortschreitender Industrialisierung stärker politisiert und Gegenstand staatlichen Interesses wurde, indem die Auswirkungen individueller Haushaltsführung auf die Volkswirtschaft betont wurden. Das »liebevolle Heim« galt als Grundlage einer gesunden Gesellschaft. Dies und die Revolution verdanken wir dem Bürgertum, das ein neues Weiblichkeitsideal in die Welt brachte, dem sich auch die Arbeiterklasse nicht verschließen konnte. Schließlich mussten die Männer in die Fabriken.

All dem war der durch die Industrialisierung vollständige Wandel der Familienwirtschaft als vorherrschender Produktions- und Lebensweise vorausgegangen, Produktion und Reproduktion erschienen da noch als kaum auseinanderzuhaltende Einheiten. Mit der Industrialisierung und der Veränderung der Produktionsformen ging eine Neuaufteilung männlicher und weiblicher Arbeitsbereiche einher. Wohn- und Arbeitsort wurden getrennt – außerhäuslich wurde Geld verdient, innerhäuslich fand Reproduktionsarbeit statt, die aber nicht Arbeit genannt wurde und wenn doch, dann wohnte dem Wort das »unentgeltlich« sozusagen inne.

Die durch Haushaltstechnisierung gewonnene Zeit – vor allem zwischen den beiden großen Kriegen hielt elektrische Haushaltstechnik Einzug in die Küchen – sollte in liebevolle Fürsorge für Mann und Kinder investiert werden. Die Entlastung, die Technik zweifelsohne brachte, zog also andere Lasten nach sich. Was definitiv nicht mit ihr einherging, war eine Neubewertung der Geschlechterverhältnisse.

Haushaltstechnik galt zwar als Indikator für Modernität, gar für Kulturniveau und auf jeden Fall für Lebensstandard, trug jedoch nicht, wie die Wissenschaftlerin Irmhild Kettschau schrieb, zu einer Professionalisierung und Aufwertung der Hausarbeit bei, sondern verschleierte und machte sie letztlich unsichtbar.

Wenn Geräte waschen, kochen, saugen, kühlen, ist der Rest ein Kinderspiel. Und wenn der Taylorismus – also die wissenschaftliche Arbeitsorganisation – auch die Haushaltsführung dominiert, führt dies zu großen Produktivitätssteigerungen. Effizienzsteigerung wurde zum Zauberwort, die berühmte »Frankfurter Küche«, 1926 entwickelt von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, war ein 6,5 Quadratmeter kleines Wunder modernster Haushaltsführung und neuen Bauens.

Hausarbeit ließ sich in Tabellen und Bewegungsabläufe rastern und somit standardisieren. Dieser Küche konnten Frauen nur noch schwer entkommen. Und der Kühlschrank – eines der Haushaltsgeräte mit den größten Auswirkungen auf Konsumverhalten – sorgte dafür, dass sie auch nicht mehr täglich das Haus für Einkäufe verlassen mussten.

Die nun stattfindende technische Revolution, die digital genannt wird, ändert an vorhandenen Rollenmustern, Zuschreibungen, Gender-Ungerechtigkeiten erst einmal nichts. Auch nicht daran, dass der nicht sichtbare Teil des Eisbergs – die unentgeltliche Care-Arbeit – jede Gesellschaft trägt und am Laufen hält und diese Arbeit weltweit zum überwiegenden Teil von Frauen erbracht wird. Stattdessen haben wir es in vielerlei Hinsicht mit der Fortschreibung vorhandener Rollenstereotype zu tun.

Virtuelle Sprachassistenten, die uns sagen, wie morgen das Wetter wird und die Mitnahme eines Regenschirms empfehlen, sprechen mit weiblicher Stimme. Watson und Einstein heißen künstliche Intelligenzen, wenn sie der Bewältigung komplexer Prozesse dienen. Vor noch nicht allzu langer Zeit gab es Spülmaschinen mit dem Namen »Lady Plus«, heute werden die hilfsbereiten Damen Siri und Alexa genannt.

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