AfD stößt an Wachstumsgrenze

Der Rechtsaußenpartei dürfte es schwerfallen, ihre Erfolgsserie auch in den nächsten Jahren fortzusetzen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

27,5 Prozent, 23,5 Prozent, 23,4 Prozent - blickt man auf die Ergebnisse der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen, ließe sich vorschnell der Eindruck gewinnen, die Partei kenne ausschließlich nur noch einen Weg: den des Erfolgs. Doch das starke Abschneiden der extremen Rechten bei den drei Urnengängen im vergangenen Herbst täuscht darüber hinweg, dass auch der AfD Wahlerfolge keinesfalls garantiert sind: Bei der Europawahl erreichte die Partei am 26. Mai mit elf Prozent nur knapp ihr selbstgestecktes Minimalziel, und in deren Schatten ging ein anderes Ergebnis beinahe unter. Dabei sagt dieses mehr über die künftige Entwicklung der AfD aus als das Abschneiden der extremen Rechten bei allen drei Landtagswahlen in Ostdeutschland.

Als zeitgleich zur EU-Wahl auch die Bremer über eine neue Bürgerschaft abstimmten, tat sich die Partei sichtlich schwer. In der Hansestadt holte sie schwache 6,1 Prozent. Dieses Ergebnis reichte zwar problemlos für den ersten Wiedereinzug in das norddeutsche Landesparlament, ist aber weit davon entfernt, der Partei in der Stadt ernsthaft politisches Gewicht zu verleihen.

Dass Bremen für die AfD nicht nur einen Ausrutscher darstellte, dürfte sich in nicht einmal zwei Monaten zeigen, wenn am 23. Februar auch in Hamburg Bürgerschaftswahlen stattfinden. Umfragen sehen die AfD bei sieben bis acht Prozent, was im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren nur ein minimales Plus bedeuten würde. 2015 hatte sie 6,1 Prozent geholt und war damit erstmalig in das Parlament der Hansestadt eingezogen.

Zwar findet in Hamburg 2020 voraussichtlich die einzige größere Abstimmung statt, der sich die AfD, die bundesweit in allen 16 Landtagen vertreten ist, stellen muss, doch die sich abzeichnende Entwicklung deutet darauf hin, dass die rechte Erfolgssträhne mittelfristig endet. Inzwischen haben sich sowohl Wahlergebnisse als auch Umfragen für die AfD auf einem konstanten Niveau eingependelt. Während die Partei flächendeckend in allen ostdeutschen Bundesländern mit mindestens 20 Prozent der Stimmen rechnen kann, käme sie bei den meisten Landtagswahlen in Westdeutschland nur auf halb so hohe Zustimmungswerte; in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen sind die zu erwartenden Ergebnisse sogar nur einstellig.

Vom Ende des Wachstums bei gleichzeitiger Stabilisierung zeugt auch der Trend auf Bundesebene. Im Durchschnitt aller Sonntagsfragen der wichtigsten Meinungsforschungsinstitute lag die AfD 2019 nie unter ihrem Ergebnis der Bundestagswahl (12,6 Prozent) vor zwei Jahren. Die Umfragen der letzten Monate sehen die Partei stabil bei 13 bis 15 Prozent. Wesentlich mehr ist für die AfD momentan auch nicht drin, schöpft sie ihr derzeitiges Potenzial doch weitestgehend aus. Mitte Dezember veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut Insa eine Analyse, wonach sich bundesweit nur 18 Prozent grundsätzlich vorstellen können, die Wahl der AfD in Erwägung zu ziehen. Zum Vergleich: Die Grünen, in den Sonntagsfragen aktuell mit etwa 20 Prozent taxiert, haben laut Insa-Zahlen ein Wählerpotenzial von 42 Prozent.

Auch der AfD-Spitze ist längst bewusst, dass die Erfolge, die bisher maßgeblich dazu beitragen, die Partei nach innen zu befrieden, in Zukunft rarer ausfallen dürften. Als Reaktion darauf beschloss der Parteivorstand vergangenen Sommer ein internes Strategiepapier für die nächsten Jahre (»nd« berichtete). Zwei zentrale Punkte lassen sich darin finden.

Erstens plant die AfD einen »Marsch durch die Organisationen«. Das bedeutet, Mitglieder und Sympathisanten der Partei sollen sich verstärkt in Gewerkschaften, Berufsverbänden, Sportvereinen, Bürgerinitiativen, Nachbarschaftsvereinigungen und in Jugendgruppen engagieren. »Wer politisch auf Dauer erfolgreich sein will, muss in solchen Organisationen über Fürsprecher und Multiplikatoren verfügen, die - ohne sich notwendigerweise parteipolitisch zu outen - die Ideen einer bestimmten Partei vertreten und einen positiven Resonanzboden für diese Partei in der Organisation bereiten«, heißt es in dem Papier. Ein zweiter zentraler Punkt betrifft das öffentliche Auftreten der AfD. Auf dem Weg zu einer bundesweiten Volkspartei würden »rhetorische Querschläger, Hasstiraden und sinnlose Provokationen« nicht weiterhelfen. Was dies für Äußerungen aus der Partei künftig bedeutet, ist unklar, wurde das Strategiepapier doch noch vom alten Bundesvorstand beschlossen, in dem deutlich mehr Kritiker des völkischen »Flügels« saßen.

Seit den Neuwahlen auf dem Bundesparteitag Ende November in Braunschweig ist mit nennenswertem Widerstand gegen den Kurs der rechtsextremen Frontmänner Björn Höcke und Andreas Kalbitz aber nicht mehr zu rechnen. Gegenüber einer wohldosierten verbalen Mäßigung verschließen aber auch sie sich nicht. Statt als rechte Straßen-APO etikettiert auch Höcke die AfD inzwischen als »bürgerlich-patriotische Kraft«, die »staatspolitische Verantwortung tragen« wolle, wie er im Zuge der Thüringenwahl erklärte. Die neue Marschroute der Partei: Die AfD muss in der Bevölkerung als regierungsfähig wahrgenommen werden.

Die verbale und keinesfalls inhaltliche Kurskorrektur dürfte auch mit dem verstärkten Blick der Sicherheitsbehörden auf die Partei zu tun haben. Bereits im Januar hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz sowohl den »Flügel« als auch die AfD-Nachwuchsorganisation »Junge Alternative« (JA) zu »Verdachtsfällen« erklärt und damit unter geheimdienstliche Beobachtung gestellt. Was das konkret bedeutet, zeigte sich Mitte Dezember, als die Behörden verkündeten, dass nun deutlich mehr Menschen als rechtsextrem eingestuft werden als noch im Vorjahr. Der Zuwachs von 24 100 auf jetzt 32 200 Rechtsextremisten geht fast vollständig auf die Neubewertung des »Flügels« und der JA zurück.

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