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- Vorwahlen zur US-Präsidentschaftswahl
Sanders lässt Linke in den USA träumen
Umfragen, Spendendaten und eine gute Position in den ersten Vorwahlstaaten helfen Bernie Sanders
Bernie Sanders hat eine echte Chance, den Vorwahlkampf der US-Demokraten zu gewinnen. Das zeichnet sich kurz vor dem ersten sogenannten Caucus im Bundesstaat Iowa am Montag (Ortszeit) in Form von Umfragen und Spendendaten ab. Im vergangenen Jahr dümpelte der linke Demokrat die meiste Zeit bei etwas unter 20 Prozentpunkten in den Umfragen. Nach seinem Herzinfarkt vor vier Monaten schrieben ihn einige Medien schon ab. Doch dann folgte ein Comeback, wie es US-amerikanische Medien lieben.
Der Shootingstar der Demokraten und US-Linken Alexandria Ocasio-Cortez sprach sich offiziell für »Tio Bernie« (der liebenswerte, sich kümmernde Onkel) aus. Parallel sank die Zustimmung für die Progressive Elizabeth Warren in Umfragen. In einzelnen Bundesstaaten wie Kalifornien oder New Hampshire stiegen Sanders’ Werte. Als nach Weihnachten bekannt wurde, dass der inzwischen 78-Jährige im vierten Quartal, getragen von einer überzeugten Basis 34,5 Millionen US-Dollar von einer Million Kleinspendern eingesammelt hatte, waren alle großen Leitmedien überrascht: »Demokratische Insider sagen Bernie Sanders könnten gewinnen«, »Warum Sanders schwer zu schlagen ist« oder »Die Demokraten haben Bernie Sanders verschlafen«, lauteten die Überschriften.
Das Szenario dazu: Sanders hat gute Chancen die Vorwahl in Iowa und New Hampshire Anfang Februar zu gewinnen. Weil seine vermeintliche »Wählbarkeit«, die Behauptung er habe als Moderater die besten Chancen Wahlen zu gewinnen, das zentrale Argument des aktuell führende moderaten Ex-Vize-Präsidenten Joe Biden ist, könnte die Unterstützung für ihn schwinden, wenn er die ersten beiden Vorwahlen nicht gewinnt. Weil Gewinner attraktiv sind, würde Sanders auch den nächsten Staat Nevada gewinnen.
Ende Februar würde in South Carolina ein relativ gutes Ergebnis für Sanders einen für Joe Biden wichtigen haushohen Sieg verhindern. Der Südstaat gilt allgemein als sichere Bank für Obamas Ex-Vize, aktuell führt er in den Umfragen mit durchschnittlich rund achtzehn Prozentpunkten Vorsprung.
Wäre der Mythos der besseren Wählbarkeit von Biden durch ein relativ schlechtes Abschneiden des Ex-Vizepräsident bei den ersten Vorwahlen praktisch gebrochen, könnte Sanders, getragen von seinem breiten Freiwilligenapparat und seinem Graswurzelgeld am 3. März nicht nur das wichtige, weil bevölkerungsreiche Kalifornien, in dem entsprechend viele Delegiertenstimmen für den Parteitag vergeben werden, sondern auch in einigen der anderen 14 Super-Tuesday-Staaten gewinnen.
Der eher schlechte Wahlkämpfer Biden, der kaum über eine Freiwilligenbasis verfügt und wenig Zuschauer bei Veranstaltungen anzieht, würde dagegen langsam zurückfallen, auch weil andere Establishment-Kandidaten wie Pete Buttigieg, den Stimmenpool der moderaten Demokratenbasis spalten. Auf der Linken würden dann entweder im Laufe der Vorwahl immer mehr Wähler von Elizabeth Warren zu Sanders überlaufen, oder die Delegierten ihres Lagers würden auf dem Parteitag im August nach Verhandlungen für Sanders stimmen, um einen progressiven Präsidentschaftskandidaten durchzusetzen.
Bei Hunderten Parteiversammlungen in Iowa fällen Demokraten und Republikaner am Montag zunächst ihr Urteil, wer Präsidentschaftskandidat werden soll. Der kleine Staat im Mittleren Westen der USA ist Schauplatz für die allererste Vorwahl im Präsidentschaftsrennen. Während bei den Republikanern Amtsinhaber Donald Trump ohne echte Konkurrenz ist, gestaltet sich die Entscheidungsfindung bei den Demokraten umso spannender. Sanders liegt laut Umfragendurchschnitt der Datenjournalisten von FiveThirtyEight Ende Januar Kopf an Kopf mit Joe Biden. Die letzten Zahlen zeigen einen Zuwachs bei Sanders. 2016 unterschätzten ihn die Umfrageinstitute in Iowa um vier Prozent.
Eine gute Position in Umfragen
Im recht liberalen New Hampshire, wo am 11. Februar gewählt wird, führt Sanders durchschnittlich mit sieben Prozent. Dort hat er schon 2016 gewonnen. In Nevada (22. Februar) liegt Sanders rund zwei Prozentpunkte hinter Biden – das ist nicht unaufholbar. In South Carolina, dort wird am 29. Februar abgestimmt, führt Biden zwar bisher mit großem Vorsprung von 18 Prozent vor Sanders. Dessen Kampagne hat hier aber viele Wahlkampfbüros eingerichtet und kann auf die Vorwahl 2008 verweisen. Damals lag Barack Obama in den Umfragen zunächst hinten, weil ihm die schwarze Community im Staat nicht zutraute, landesweit gewinnen zu können.
Sowohl in US-weiten Umfragen als auch in wichtigen Super-Tuesday-Staaten wie Kalifornien hat Sanders in den letzten Wochen aufgeholt. Im eher liberalen »Golden State«, wo am 3. März gewählt wird, führt der demokratische Sozialist je nach Zählweise mit vier bis fünf Prozentpunkten. Seine Kampagne versucht besonders Nichtwähler und Latinos zu überzeugen. Landesweit führt Sanders in dieser relativ jungen und wachsenden Wählergruppe – ihre Beteiligung war in der Vergangenheit unterdurchschnittlich.
Betrachtet man die USA als Gesamtes, liegt Sanders derzeit rund fünf Prozentpunkte hinter Biden – doch mit der Dynamik auf Seiten von Sanders könnte sich das ändern, er ist die zweite Wahl der meisten Biden-Wähler. Sollte Warren kein Umfragen-Comeback gelingen, wird ein Großteil ihrer Basis aus ideologischer Nähe für Sanders stimmen. Und Sanders baut nicht nur mit der scheinbar erfolgreichen Mobilisierung von Latinos langsam aber stetig seine Basis aus: 300 000 Neuspender konnte Sanders für das vierte Quartal 2019 verkünden.
Beliebt und glaubwürdig
Grundsätzlich gilt: Ein Großteil der Demokraten mag Sanders, er habe sich nicht verbogen, vertrete das, was er auch schon vor 20 oder 30 Jahren forderte. Er hat die besten Beliebtheitswerte aller Demokraten-Kandidaten. In den drei wichtigsten Themenfeldern Gesundheitsversorgung, Wirtschaft und Klimawandel werden Sanders laut Befragungen unter Demokraten-Wählern die besten Konzepte zugesprochen.
Doch noch wichtiger ist es den Demokaten Trump zu schlagen. Die Basis und auch einige Progressive sind deswegen regelrecht besessen vom Konzept der wahrgenommenen »Wählbarkeit«. Seit Monaten schon betont Sanders, er sei der beste Kandidat, um gegen Trump zu bestehen. Zwar zeigen diejenigen Umfragen, die die Demokraten-Kandidaten direkt mit Trump vergleichen, relativ ähnliche Werte für Biden, Sanders und Warren. Doch die Sanders-Kampagne argumentiert, der als relativ unabhängig geltende Linkspopulist könne in den besonders von Deindustrialisierung und Arbeitsplatzverlust betroffenen entscheidenden »Swing States« Pennsylvania, Wisconsin und Michigan besser unzufriedene Arbeiter und Unabhängige für sich gewinnen als der Establishment-Demokrat und Freihandelsbefürworter Biden.
Biden habe zudem in der Vergangenheit versucht die Sozialhilfe zu kürzen. Das werde Trump ausschlachten. Wegen Sanders‘ jahrzehntelangen Kampfes gegen soziale Ungleichheit biete er weniger Angriffsmaterial, mit dem Trump die Wahlbeteiligung der Demokraten nicht nur in den entscheidenden Swing States im »Rustbelt«, sondern auch landesweit herunterschrauben könnte.
Nichtwählermobilisierung und Linkspopulismus
Um die eigene Wahlbeteiligung hochzutreiben und so zu gewinnen, brauche es echte Begeisterung für den eigenen Kandidaten. Die zeigen die Tausenden Menschen bei Sanders‘ Kundgebungen allemal. Würden die Demokraten Sanders aufstellen, könnten sie dauerhaft eine ganze Generation in die Partei holen, argumentiert der Journalist Matthew Iglesias. Die jungen Sanders-Unterstützer würden als hochmotivierte Fußtruppen im Haustürwahlkampf für ihren Kandidaten »durchs Feuer gehen«, schreibt er in seinem als »pragmatisches Argument für Sanders« ausgewiesenen Beitrag für das Erklärjournalismusportal »Vox«.
Neben Sanders hat auch Biden in letzter Zeit in Iowa und New Hampshire etwas aufgeholt. Die US-Linke hatte schon 2019 erwartet Bidens Umfragewerte würden innerhalb weniger Monate zusammenbrechen, wenn seine aktuellen und früheren politischen Positionen einer breiteren Wählerschaft bekannt würden. Es könnte sein, dass Sanders Argument, warum gerade in diesem historischen Moment sozialer Ungleichheit ein linker Politiker, der genau so gut oder gar besser gegen Trump kämpfen kann, »wählbarer« ist, nicht durchdringt.
Natürlich könnt es sein das die auf Twitter teils aggressiv auftretenden Bernie-Aktivisten die Wähler von Elizabeth Warren und Moderate abschrecken. Es könnte sein, dass er in Iowa und New Hampshire auf Platz zwei oder gar Platz drei landet, weil in in beiden Staaten die vier besten Kandidaten knapp hintereinander liegen. Es ist gut möglich, das Sanders etwa in South Carolina einfach nicht genug Unterstützung unter schwarzen Wählern für sich mobilisieren kann und es nicht in ausreichendem Maße schafft etwa Latino- und andere bisherige Nichtwählern zur Stimmabgabe zu mobilisieren oder ein ausreichend großer Teil von ihnen an den Vorgaben der Wählerregistrierung scheitert.
Doch Sanders’ Aufstieg in den wichtigen Vorwahlstaaten kommt für ihn zur rechten Zeit: Die meisten Wähler fangen erst jetzt an, sich genauer mit dem Wahlkampf zu beschäftigen. Und es gibt ein weiteres Anzeichen dafür, dass er eine gute Chance hat, zu gewinnen: Donald Trump hat angefangen Sanders in sozialen Netzwerken und bei Wahlkampfreden zu attackieren, sieht ihn offenbar jetzt als Hauptgegner. So schrieb Trump bei Twitter: »Der verrückte Bernie steigt in den Umfragen. Was das wohl heißt?« Sanders zeigte sich auf dem Kurzbotschaftendienst angriffslustig und antwortete mit einer prägnanten und simplen Botschaft. Die hatte er schon bei der Verkündung seiner Kandidatur im letzten Frühling gesendet. Was dieses Mal anders sei als 2016, fragte ihn ein Moderator. Dazu Sanders: »Wir werden gewinnen.«
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