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Neuer Weg links der Straße

Brandenburgs Sozialisten wählen am Wochenende ihren Landesvorstand - die Kandidaten

Politiker der Linkspartei »müssen unterschiedliche Gesellschaftsgruppen ansprechen können, ohne sich dabei öffentlich zu zerlegen«, findet Stefan Roth. »Dieser Pluralismus muss sich auch im Landesvorstand widerspiegeln. Die öffentlichen Angriffe auf Sahra Wagenknecht lösen an der Parteibasis nur noch Kopfschütteln aus.« Die Basis sollte stärker beteiligt werden, um die Lücke zu den Funktionären zu verkleinern und Dauerkonflikte zu lösen. Das schreibt Stefan Roth in seiner Bewerbung für den neuen Vorstand der brandenburgischen Linken, der am 22. und 23. Februar bei einem Parteitag in Templin gewählt werden soll.

Zehn Frauen und 14 Männer kandidieren, darunter bislang nur Anja Mayer und Katharina Slanina für die Doppelspitze. Stefan Roth ist einer der Kandidaten. Der 32-Jährige stammt aus Senftenberg und hat in Cottbus studiert. Inzwischen arbeitet er in Berlin für den Bundestagsabgeordneten Victor Perli (Linke). Er wohnt nun im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Von dort hat er sich zu Jahresbeginn in Brandenburg zurückgemeldet, in den Kreisverband Potsdam-Mittelmark. Sowohl in Tempelhof-Schöneberg als auch in Potsdam-Mittelmark dominieren unter den Genossen die Freunde Wagenknechts. Doch Roth möchte sich nicht zuerst als Anhänger einer Persönlichkeit definieren, erklärt auf Nachfrage lieber, dass er das Anliegen der von Wagenknecht maßgeblich mit angeschobenen Sammlungsbewegung »Aufstehen« unterstützt. »Der Landesverband braucht frischen Wind, da will ich mich anbieten«, begründet Roth seine Kandidatur. Er möchte helfen nach den schweren Niederlagen bei den Landtagswahlen 2014 und 2019. Von einst 27,2 auf 10,7 Prozent sackte der Landesverband im Verlauf von zehn Jahren.

Das hat Folgen. Die Zuwendungen aus der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung sinken. »In Zukunft steht uns nur noch ein Mindestmaß an Personal zur Verfügung«, weiß Mario Dannenberg, der als neuer Schatzmeister kandidiert. »Wir müssen gut abwägen, an welcher Stelle wir unsere knapp gewordenen finanziellen Ressourcen einsetzen«, sagt Dannenberg. 21 Jahre lang leitete er ein Geschäft und kennt sich mit der Buchführung aus.

Verschiedene Bewerbungen beziehen sich auf den Zustand der Partei und einen bedrohlichen Trend in der Gesellschaft: Die Linke befinde sich in einer »schwierigen Lage« (Stefan Wollenberg, Landesgeschäftsführer), »in einer Krise« (Tom Berthold, Student), »eine große Herausforderung« sei die abnehmende Mitgliederzahl (Annekathrin Loy, Softwareentwicklerin), der Landesvorstand stehe vor der Aufgabe, »die Partei neu aufzustellen« (Stefan Ludwig, Ex-Justizminister), »ein neuer Faschismus hat die politische Landschaft rasant und nachhaltig verändert« (Johannes Glander, Sozialarbeiter), »die Linke muss als entschiedenste Gegnerin der AfD wahrnehmbar sein« (Ronny Kretschmer, Landtagsabgeordneter).

Es bedürfe »keiner Streitigkeiten über persönliche Schuldfragen, die uns wertvolle Zeit kosten«, meint der Erzieher David Manietta. Die Psychologin Diana Tietze hat »schon lange keine Lust mehr auf ›Weiter so‹«. Sie erwähnt eine »immer weniger konstruktive Streitkultur«. Die Schriftstellerin Sophie Sumburane meint, kreative Arbeit sei »immer auch politische Arbeit«. Sie schreibt poetisch davon, »die Arbeit der Partei aus festgefahrenen Wegen zu lenken und links der Straße den neuen metaphorischen Fahrradweg zu entdecken«.

Derweil versucht Kathrin Härtel, eine Werbekauffrau im Außendienst, Optimismus zu verbreiten. Die Situation in der Partei sei nach zehn Jahren Beteiligung an einer rot-roten Koalition nicht einfach, »doch es geht auch im normalen Leben nicht immer bergauf«. Jetzt heiße es Zusammenstehen. Härtel hat zwei Töchter, von denen die ältere an ihrem 14. Geburtstag in die Linke eintrat, und einen 17-jährigen Pflegesohn, der aus Syrien flüchtete und den sie vor fünf Jahren aufgenommen hat.

Beim letzten Landesparteitag im Dezember 2019 hatte Aaron Birnbaum bedauert, er könne dem Landesvorstand wegen der begangenen Fehler im Februar 2020 nicht noch einmal sein Vertrauen schenken. Veränderungen seien schmerzhaft, sagte er, aber er wünsche sich personelle Veränderungen. Nun kandidiert er selbst für den Vorstand. Seite 11

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