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Versuchsmensch
Personalie
Der Blick fest entschlossen, steht Chen Wei in einem fensterlosen Raum, hinter sich die rote China-Flagge mit den fünf Sternen. Gekleidet ist die Chinesin mit der Kurzhaarfrisur in militärischer Camouflage-Uniform. Den rechten Ärmel hat sie aufgekrempelt, damit eine Ärztin in Schutzanzug ihr eine Spritze injizieren kann. Auf den Fotos, die sich am Dienstag in den sozialen Netzwerken Chinas rasant verbreiteten, soll die führende Biochemieexpertin des Landes beim ersten menschlichen Test eines Coronavirus-Impfstoff zu sehen sein.
Im Dezember wurde der Erreger in der zentralchinesischen Metropole Wuhan entdeckt. Seither hat er in China mehr als 80 000 Menschen angesteckt und 2981 getötet. Am Dienstag hat das Staatsfernsehen nun überraschend einen »Durchbruch« bei der Entwicklung eines Impfstoffs vermeldet.
Angeführt wird das Forschungsteam von der 54-jährigen Chen Wei, die als Wissenschaftlerin bereits 2014 federführend bei der Entwicklung eines Ebola-Impfstoffs auf Genbasis war. Ebenfalls soll sie eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Sars-Epidemie 2003 gespielt haben. Sie entwickelte ein Nasenspray, das gefährdete Menschengruppen vor einer Ansteckung schützen soll.
Geboren wurde Chen Wei in der ostchinesischen Provinz Zhejiang, wo sie auch Chemie studierte, später folgte der Master an der renommierten Tsinghua Universität in Peking. Im Zug nach Hause soll sie laut einem Fernsehbericht ihren späteren Ehemann getroffen haben, der zur Unterstützung seiner Frau seinen Beruf als Techniker aufgab und den Haushalt führt.
Ob die Chinesin im Kampf gegen das Virus wirklich einen Durchbruch erzielt hat oder es sich nur um Propaganda handelt, wird sich wohl in den nächsten Wochen zeigen. Die Erwartungen auf einen schnellen Impfstoff hatte Chen selbst in einem früheren Interview skeptisch gesehen. Es sei unrealistisch, dass man innerhalb eines Monats einen Impfstoff entwickeln könne, sagte sie und fügte hinzu: »Aber einige exzellente Teams sind immer schneller und besser.«
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