Autoritäre Fantasien

Rechte beklatschen die brutale Flüchtlingsabwehr in Griechenland

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Die griechische Polizei macht derzeit die Drecksarbeit für die EU. Das freut hierzulande insbesondere die AfD. Diese hatte sich in der Vergangenheit nicht gerade durch Griechenland-Solidarität hervorgetan. 2015 forderte die AfD ein Referendum zu EU-Hilfen für das krisengebeutelte Land, und noch im letzten Jahr echauffierte man sich im Parteiblatt über Sozialprogramme des damaligen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras.

Jetzt gilt jedoch »Solidarität«. Damit gemeint ist vor allem das harte Vorgehen gegen Flüchtlinge, das den Rechten als Projektionsfläche für autoritäre Fantasien dient. Der parteilose NRW-Landtagsabgeordnete Marcus Pretzell (früher AfD) bezeichnete auf Twitter die Nutzung von Waffengewalt als Ultima Ratio an der Grenze als eine »Selbstverständlichkeit«. Der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah forderte finanzielle und politische Unterstützung für Griechenland und stilisierte das Land zum Retter Europas. Dabei zog er eine direkte Linie von der Abschottungspolitik Ungarns vor fünf Jahren zu den aktuellen Geschehnissen.

Was viel mehr an 2015 erinnert, sind die Verlautbarungen der Rassisten in den »sozialen« Netzwerken. Unter internationalen Hashtags wie Greeceunderattack oder Istandwithgreece werden Flüchtlinge in die Nähe von Islamisten gerückt und als ausschließlich jung und männlich dargestellt. Daneben finden sich Beiträge, die von einer »Invasion« oder gar einem »Asyltsunami« sprechen.

Viele Nutzer bemühen eine Analogie zu den Spartanern aus dem vor männlichem Märtyrerpathos triefenden Film »300«. Rechtsextreme wie die Identitäre Bewegung (IB) nutzen den fiktiven Kampf gegen eine persische Übermacht als popkulturell-historische Analogie für einen imaginierten Abwehrkampf Europas gegen Migranten aus vornehmlich muslimischen Ländern. Entsprechende Bilder finden mittlerweile auch abseits der organisierten Rechten Verbreitung. Mit dem Framing der versuchten Grenzüberquerung als »Angriff« wird das Bild einer konzertierten Aktion heraufbeschworen und Rassismus geschürt. Das Schicksal derer, die im Machtspiel zwischen der EU und der Türkei als Verhandlungsmasse missbraucht werden, gerät darüber in den Hintergrund.

Die Hetze blieb nicht ohne Gegenrede. Unter dem von der Organisation Seebrücke lancierten Hashtag WirhabenPlatz, unter dem seit Monaten auf die Lage der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln aufmerksam gemacht wird, bekundeten Aktivisten und Politiker ihre Solidarität. Statt sich von Erdoğan erpressen zu lassen, solle man ihm seine Waffe durch Grenzöffnung und Solidarität mit den Flüchtlinge nehmen. »Ich bin sehr dafür, dass 2015 sich wiederholt, dass wir die Tore weit für Menschen in Not öffnen«, schrieb etwa der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Niema Movassat, auf Twitter. Über 140 Kommunen bekundeten derweil ihre Bereitschaft, Schutzsuchende aufzunehmen.

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