Wie das Coronavirus auch den Kampf gegen Doping schwächt

Nur mit drastischen Reduzierungen kann das Kontrollsystem noch aufrecht erhalten werden

  • Andreas Schirmer
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund um den Globus werden die Dopingtests reduziert, Kontrolllabore geschlossen und die Arbeit der nationalen Antidoping-Agenturen eingeschränkt. Das Coronavirus schwächt auch den Kampf gegen den Sportbetrug und gefährdet die Chancengleichheit beispielsweise bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio - sofern sie stattfinden.

Andrea Gotzmann hält dies noch gar nicht für vorhersehbar. »Das ist schwer zu sagen, und hier müsste man spekulieren«, meint die Chefin der deutschen Nationalen Antidoping-Agentur NADA. »Der Sport an sich ist in der Krise.« Man wisse, dass die überwiegende Anzahl der Athleten sauber ihren Sport betreiben und in einer schwierigen Lage seien. Dass Doper die Coronakrise für Betrug und Schummeleien nutzen könnten, erwartet Gotzmann eher nicht. »Ich glaube, dass wir in der augenblicklichen Situation diese Art von Schummeleien wenig erleben werden. Gerade, weil es um massive gesundheitliche Probleme gehen kann«, erklärt die NADA-Chefin.

Die Coronavirus-Pandemie wirkt sich allerdings auf das Kontrollsystem der deutschen Nationalen Anti-Doping-Agentur aus. Nach den Absagen vieler Sportevents fallen die Wettkampftests weg. »Wir haben noch das Trainingskontrollsystem«, betont Gotzmann und fügt hinzu: »Da haben wir aber reduziert und konzentrieren uns weiter auf eine wichtige Gruppe: Das sind die Perspektivathleten, die sich auf die Olympischen Spiele in Tokio vorbereiten.« Die NADA müsse zumindest »ein gewisses Kontrollprogramm« aufrechterhalten.

Die Zahl der 2018 vorgenommenen 5605 Wettkampfkontrollen wird in diesem Jahr ebenso sinken wie die der Dopingtests im Training. Dies gilt nicht nur für Deutschland. Die NADA Austria hat ihr Büro geschlossen und die Antidoping-Maßnahmen eingeschränkt. Auch die Agenturen in Großbritannien und den USA verkündeten, »signifikante Reduzierungen« vornehmen zu müssen und den Fokus auf die »Mission critical« zu legen; also auf Olympiastarter und - kandidaten für die geplanten Sommerspiele vom 24. Juli bis 9. August in Tokio.

Die Welt-Antidoping-Agentur (WADA) bemüht sich, die Integrität der Kontrollprogramme, insbesondere vor den Sommerspielen und den anschließenden Paralympics in Japans Hauptstadt, zu gewährleisten. »Die WADA überwacht das wichtige Gleichgewicht der Testaktivitäten in allen von Covid-19 betroffenen Regionen genau, um mögliche Kontrolllücken zu ermitteln und möglichst zu beheben«, teilte die Weltagentur mit. Bei rund 345 000 Kontrollen, die in der WADA-Statistik für 2018 ausgewiesen sind, dürfte das Vorhaben wenig Erfolg versprechen.

Besonders beeinträchtigt dürften die Tests auf Blutdoping vor allem bei Ausdauersportlern sein. »Blutkontrollen werden von Ärzten oder Heilpraktikern durchgeführt«, erklärt Gotzmann. »Das sind Personen, die im Augenblick im medizinischen System übermäßig beansprucht sind. Daher verzichten wir weitgehend auf ihren Einsatz.« Zudem würden Kontrolleure von der NADA aus Schutz und wegen geschlossener Grenzen nicht mehr ins Ausland geschickt - angesichts vieler abgesagter Trainingslager ist die Notwendigkeit reduziert. Hinzu kommt die Schließung von Analyselaboren in Barcelona, Madrid, Montreal oder in Italien. »Es fehlen Kapazitäten. Das Gleiche gilt auch für Kontrollen«, stellt Gotzmann fest. »Die allgemeine Situation ist weltweit äußerst schwierig und kritisch.«

Die Frage, ob das Antidoping-Programm für die Tokio-Spiele die umfangreichen Testausfälle durch die Coronavirus-Pandemie annähernd kompensieren kann, dürfte eher mit Nein beantwortet werden. Schließlich ist nicht einmal vorhersehbar, ob der geplante Start der vorolympischen Kontrollen am 12. Mai überhaupt erfolgen kann.

Geplant sind von der International Testing Agency, die vom Internationalen Olympischen Komitee beauftragt wurde, rund 6000 Kontrollen bis zum 9. August. Es ist laut IOC-Präsident Thomas Bach das »bisher umfangreichste Programm« für Sommerspiele, »das sowohl die Aufdeckung als auch die Abschreckung maximieren soll.« dpa/nd

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