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»Deutschland muss sich für die Freilassung Öcalans einsetzen«

In Deutschland protestierten Kurden für die Freilassung des PKK-Mitbegründers Abdullah Öcalan

  • Anselm Schindler
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor dem Ausbruch der Corona-Krise gingen in mehreren deutschen Städten Kurd*innen und verschiedenen linke Gruppen für die Freiheit des seit 21 Jahren inhaftierten PKK-Mitbegründers Abdullah Öcalan auf die Straße. Was war passiert? Auf der Gefängnisinsel İmralı im türkischen Marmarameer war jüngst ein Waldbrand ausgebrochen. Auf İmralı sitzen nur wenige Gefangene in einem militärisch gesicherten Trakt. Unter ihnen ist der Theoretiker und Mitbegründer der Kurdischen Arbeiter*innenpartei PKK, Abdullah Öcalan.

Ob er und die anderen Gefangenen durch das Feuer Schaden genommen hatten, war einige Tage lang völlig unklar, der Türkische Staat hütet die Vorgänge auf İmralı wie ein Staatsgeheimnis. Erst nach einigen Tagen teilte die Anwaltskanzlei Asrin jedoch mit, dass die Gefangenen von İmralı kurzfristig Besuch von ihren Angehörigen erhalten hatten – zum ersten Mal seit vielen Monaten.

Die Protestaktionen gingen aber trotzdem noch einige Tage weiter. Kurdische Jugendliche blockierten in Marseille eine Autobahn, um für die Freilassung Öcalans zu protestieren. Eine Forderung, die auch bei Protestaktionen in Deutschland erhoben wurde. »Öcalan gibt vielen Menschen Hoffnung auf Demokratie im Mittleren Osten und darüber hinaus«, sagt die Wissenschaftlerin und Aktivistin Rosa Burç, die zu Protestbewegungen im Nahen Osten forscht.

»Öcalans Isolationshaft steht symbolisch für das Schicksal aller Kurdinnen und Kurden«, so die Forscherin weiter. »Er wird nicht nur eingesperrt, sondern seit 21 Jahren jeglicher Menschenrechte beraubt.« Die Bedingungen, unter denen Öcalan auf İmralı festgehalten wird, werden von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert. Die Isolation geht so weit, dass ihm wiederholt verweigert wird, seine Anwälte zu sehen.

Erdogans Regierung steht, was Öcalan betrifft, vor einem Dilemma: Umbringen können sie ihn nicht, ohne dass ihnen die kurdischen Gebiete um die Ohren fliegen. Freilassen können sie ihn aber auch nicht, es käme mit einer Legitimierung der gesamten PKK gleich. Und so hat man sich in Ankara viele Jahre lang immer wieder dafür entschieden, ab und zu Gespräche mit Öcalan zu führen um der Welt zu zeigen, dass man ja auch selbst zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes bereit ist.

Bis 2016 der Städtekrieg in türkisch-Kurdistan entbrannte, weil einige Kommunen ihre autonome Selbstverwaltung ausgerufen hatten und die AKP-Regierung mit Panzern darauf antwortete. Die Explosion der Gewalt gab denjenigen Recht, die schon immer Verhandlungen mit Erdogan ablehnten und und bestärkte gleichzeitig auch diejenigen, die in der PKK eine Terrororganisation sahen. Diese Entwicklung hatte Öcalans Gefangenenschicksal offenbar besiegelt.

Bevor der PKK-Mitbegründer vor 21 Jahren von Geheimdienstlern in Kenia verschleppt wurde, hatte er auch in verschiedenen europäischen Ländern politisches Asyl beantragt. Alle lehnten jedoch ab. Auch Deutschland wollte Öcalan damals nicht aufnehmen, obwohl ihm in der Türkei die Todesstrafe drohte. Heute ist es in Deutschland sogar verboten, Abbildungen von ihm auf Demonstrationen zu zeigen.

2018 veranlasste das Bundesinnenministerium, dass Bilder und Fotos von Öcalan auf öffentlichen Versammlungen tabu sind und begründet dies mit dem PKK-Verbot. Und auch die Bücher, die Öcalan von seiner Zelle im Marmarameer aus schrieb, sind von Repression betroffen: Der Mezopotamien-Verlag in Neuss in Nordhrein-Westfahlen, der Öcalans Werk viele Jahre lang in Deutschland vertrieb, wurde im März 2018 von dutzenden Polizeibeamten gestürmt, sechs LKW-Ladungen Bücher wurden beschlagnahmt.

Burç kritisiert diese Praxis der Sicherheitsbehörden. Sie sei ein »Zugeständnis an die kurdenfeindliche Politik der türkischen Regierung.« So, wie viele anderen deutsche Linke und Kurd*innen auch, fordert Burç von der deutschen Außenpolitik einen Kurswechsel: »Wenn Deutschland wirklich dazu beitragen will, dass es irgendwann Frieden in der Türkei und in Kurdistan gibt, dann muss sich Deutschland für die Aufhebung der Isolationshaft von Öcalan einsetzen.«

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