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Lovemobile mit Bußgeld bedroht

Bundesländer haben »Strafkataloge« für Verstöße gegen Corona-Vorschriften erlassen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

»Hier waren Deutschland und Europa bis zum 7. Dezember 1989 um 10 Uhr geteilt.« Ein Schild an der Brücke, die bei Dömitz über die Elbe führt und Niedersachsen mit dem Nordosten verbindet, erinnert seither an den Fall der Grenzanlagen auf östlicher Seite. Ganz in der Nähe dieses Hinweises wird die Freizügigkeit in Deutschland nun wieder begrenzt. Wenn auch nur temporär und nicht für alle Reisenden und auch nicht durch einen Metallgitterzaun, sondern durch ein neues Schild. »Für touristische Verkehre im Land gesperrt« ist darauf zu lesen.

Ob das »Einreiseverbot«, das auch für Tagesausflügler gilt, an den Osterfeiertagen durchweg respektiert wird? Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hofft darauf, warb dieser Tage um Verständnis für die derzeitige Abschottung ihres ansonsten dem Tourismus doch so zugeneigten Landes. Doch eher als der Appell der Regierungschefin dürfte das Bußgeld abschrecken, das Erholungssuchenden beim Missachten der unsichtbaren Ländergrenze droht.

Eine verbotene Reise nach Mecklenburg-Vorpommern sei mit 150 bis 2000 Euro »zu ahnden«, bestimmt der unlängst veröffentlichte, von der Landesregierung erlassene Bußgeldkatalog. Diese Spanne gestattet der Behörde, die ertappten Besuchern die »Rechnung« schickt, einen gewissen Ermessensspielraum. Einem Pensionswirt dagegen, der Touristen bei sich aufnimmt, gönnt die Strafliste in der Coronazeit keine solche Flexibilität: Die unerlaubte Beherbergung von Gästen bedroht ihn mit 5000 Euro Bußgeld.

Die Höhe bei den jeweiligen Verstößen ist nicht bundeseinheitlich geregelt. Die Länder können ihre eigenen Forderungskataloge erlassen und haben das auch ausnahmslos getan. Um zu sehen, welche Buße bei welchen »Delikten« erhoben wird, empfiehlt sich ein Blick ins Internet, wo die Kataloge auszugsweise oder auch komplett zu finden sind.

Von Land zu Land gibt es bei den Bußbeträgen auffällige Unterschiede. In Nordrhein-Westfalen etwa muss jemand, der sich mit mehr als einer nicht im selben Haushalt lebenden Person trifft, mit 200 Euro Bußgeld rechnen, in Schleswig-Holstein sind es nur 150 Euro. Beim Verlassen der Wohnung ohne triftigen Grund können Berliner, wenn die Behörde gnädig ist, mit 10 Euro davonkommen, Menschen in Bayern werden beim gleichen Verstoß mit 150 Euro zur Kasse gebeten.

Forderungen von mehreren Tausend Euro kommen in allen Bundesländern vor allem auf Gewerbetreibende zu, wenn sie sich nicht an die Auflagen zum Eindämmen der Corona-Pandemie halten. Hamburg hat 34 Angebote aufgelistet, die zurzeit untersagt sind: von »Tanzlustbarkeiten, insbesondere in Clubs« über Sprachkurse bis zu Saunas und Dampfbädern. Wer dennoch eine der im Verbotskatalog erwähnten Einrichtungen oder Events »öffnet oder darbringt«, so droht die Elbmetropole, kann mit 5000 Euro Buße belegt werden.

Eine Besonderheit dort: Gleich fünf Punkte im Hamburger Bußgeldkatalog sind der Prostitution gewidmet. Womöglich ist es das verhältnismäßig große Angebot dieses Gewerbes in den Stadtteilen St. Pauli und St. Georg, das die Hansestadt zu dieser Akkuratesse bewegt hat. So wird das Öffnen eines Bordells zur Coronazeit mit 5000 Euro Bußforderung bedroht, den gleichen Betrag müssen Sexarbeiterinnen und -arbeiter zahlen, wenn sie der »Erbringung sexueller Dienstleistungen« überführt werden. Fünf Tausender verlangt die Stadt auch als Buße für »die Bereitstellung eines Prostitutionsfahrzeuges«, landläufig als Lovemobil vertraut.

Alle Länder, so lautet ein aktueller Vorschlag des Bundesinnenministeriums, sollen ihre Bußgeldkataloge ergänzen, und zwar um Sanktionen bei Verstößen gegen die neuen Einreise-bestimmungen. Sie besagen zum Beispiel: Deutsche oder dauernd in der Bundesrepublik lebende Menschen aus anderen Staaten müssen sich nach einem Auslandsaufenthalt und der Rückkehr nach Deutschland in eine 14-tägige Quarantäne begeben, zumeist wohl in der eigenen Wohnung. Wer dies nicht unverzüglich tut, soll nach den Vorstellungen des Bundes ein Bußgeld von mindestens 50 und höchstens 5000 Euro zahlen.

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