Verletzt und beschimpft

Eine Familie in Essen beklagt rassistische Polizeigewalt

  • Dennis Pesch
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Fall ist brisant: In einem auf Instagram veröffentlichten Video hat Omar Ayoub vom Eindringen von Polizisten in die Wohnung seiner Familie berichtet und davon, wie sein Vater und er brutal geschlagen wurden. Bis zum Mittwoch mittag war die Filmsequenz mehr als 1,2 Millionen Mal abgerufen worden.

Nach Angaben des 23-Jährigen waren am Abend des 25. April zwei Polizisten wegen angeblicher Ruhestörung und mutmaßlichen Verstoßes gegen die geltende Corona-Verordnung zum Haus der Familie gekommen. Als er sie aufgrund eines fehlenden Durchsuchungsbeschlusses nicht habe einlassen wollen, hätten sich die Beamten gewaltsam Zutritt verschafft. Im Video zeigt Ayoub Verletzungen: An seinem Kopf und dem seines Vaters sind zahlreiche Wunden und Beulen zu sehen, die Hand des 23-Jährigen ist gebrochen, auch Rücken und Arme des 23-Jährigen sind mit Schürfwunden und Hämatomen übersät. Seine schwangere Ehefrau soll von Polizisten geschubst, seine 16-jährige Schwester geschlagen worden sein.

Im Gespräch mit dem »nd« berichtete Ayoub, dass die Polizisten ihn und seine Familie während des Einsatzes rassistisch beleidigt hätten: »Dreckslibanesen«, »ehrenloser Kanacke«, »Geht dahin zurück, wo ihr her kommt, ihr Tiere«, sollen sie gesagt haben. »Das sind rassistische Polizisten. Solche Leute gehören nicht in die Polizei«, empört sich Ayoub und fordert, dass die Beamten zur Rechenschaft gezogen werden.

Gegen Ayoub und seinen Vater wurde ein Strafverfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet. Zugleich erklärte eine Polizeisprecherin, man habe wegen der Vorwürfe der Familie »routinemäßig« ein Verfahren gegen die zwei beteiligten Beamten eingeleitet. Mit der Polizei Bochum habe eine »neutrale Stelle« dessen Prüfung übernommen.

Nach Darstellung der Essener Polizei soll die Familie die Polizisten attackiert haben. Einer Pressemitteilung war es im Haus der Ayoubs bei Eintreffen der Beamten »sehr laut«. Ayoub dementiert: »Wir haben gegessen, Fernsehen geschaut und uns unterhalten. Wir waren nicht laut.« Als es geklingelt habe, habe er die Tür geöffnet.

Den weiteren Verlauf stellt die Polizei so dar: Ayoub habe »plötzlich« versucht, »die Tür zuzuschmeißen. Die Polizisten verhinderten dies, woraufhin der Aggressor mit Faustschlägen auf sie losging«. Dem »nd« sagte Ayoub, es habe vorher ein Gespräch gegeben: »Ich habe gesagt, dass wir nicht laut sind und gefragt, wen wir gestört haben.« Die Beamten hätten gesagt, eine Meldung sei eingegangen und sie wollten deshalb das Haus durchsuchen. Ayoub fragte daraufhin nach einem Durchsuchungsbeschluss. Den gab es nicht – was eine Polizeisprecherin dem »nd« bestätigte. Zugleich erklärte sie, ein solcher sei auch nicht unbedingt nötig. Man habe die Identität der Anwesenden feststellen wollen.

Ayoub versichert, er habe »in normalem Ton geredet« und sich »respektvoll« verhalten. Er habe, nachdem die Beamten keinen Durchsuchungsbeschluss vorlegen konnten, »normal die Tür zumachen« wollen. Das habe einer der Polizisten mit seinem Fuß verhindert. Dann seien die Beamten handgreiflich geworden: »Einer hat mir die Brille von der Nase gezogen und mir Pfefferspray vors Gesicht gehalten und es dann auch eingesetzt.«

Laut Polizei kam nun der Vater des jungen Mannes hinzu. Er habe die Beamten »mit Schlägen angegriffen«. Omar Ayoub hingegen sagt, sein Vater habe versucht, dazwischenzugehen, als er gesehen habe, »wie sein Sohn von zwei Polizisten geschlagen wird«. Daraufhin hätten diese den 50-Jährigen geschlagen. Im Haus hielten sich außerdem fünf Frauen auf: Zwei minderjährige Schwestern des 23-Jährigen, seine 21-jährige schwangere Ehefrau, die 48-jährige Mutter und die 80-jährige Großmutter. Laut Polizei sollen vier Frauen gemeinsam versucht haben, die Polizisten »in die Flucht [zu] schlagen«.

Nach Angaben von Omar Ayoub rückten kurz darauf bis zu 15 weitere Polizisten an. Sie seien in die Wohnung gestürmt, hätten auf seinen am Boden liegenden Vater eingeschlagen. Er selbst sei in den Garten gezogen und mit einem Knüppel auf den Rücken geschlagen worden.

Es ist das dritte Mal in drei Monaten, dass die Essener Polizei auffällt: Im Februar soll ein Mann in Gewahrsam verprügelt worden sein, Anfang März hatte eine Frau rassistische Polizeigewalt gegen sich und ihre 16 und 17 Jahre alten Töchter auf einer Wache beklagt, als sie Anzeige wegen Diebstahls erstatten wollte.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal