Korruptionsskandal in der Krise

Peruanischer Innenminister tritt inmitten der Covid-19-Pandemie zurück

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit Durchhalteparolen verkündete der konservative peruanische Präsident Martín Vizcarra die jüngste Verlängerung des gesundheitlichen Notstandes bis zum 10. Mai. »Wir müssen besonnen sein und zusätzliche Anstrengungen unternehmen, da wir uns in der schwierigsten Phase befinden«, sagte der Regierungschef.

Peru ist nach Brasilien das am zweitstärksten von der Corona-Pandemie betroffene Land Südamerikas. Zahlen des Gesundheitsministeriums zufolge haben sich bisher 31 190 Personen mit dem neuartigen Coronavirus infiziert, 854 sind an den Folgen einer Infektion gestorben.

Trotz eines vergleichsweise hohen Testniveaus mit rund 270 000 durchgeführten Tests ist das peruanische Gesundheitssystem nicht für die Pandemie ausgelegt. Im gesamten Land gibt es 773 Intensivbetten, von denen derzeit 598 belegt sind. In den besonders betroffenen Regionen Lima, Lambayeque und Loreto befindet man sich bereits am Limit. Die zwei Krankenhäuser in Iquitos, der Hauptstadt des im Amazonasgebiet gelegenen Loreto, seien überlaufen, sagte Luis Leonardo Runciman, der Vorsitzende der regionalen Ärztekammer, gegenüber BBC Mundo. »Wir können nirgendwo mehr Patienten behandeln, und das bedeutet, dass die Menschen zu Hause sterben werden.«

Durch die Quarantäne haben viele Peruaner ihre Einkommensquelle verloren. Lediglich 30 Prozent der Beschäftigten arbeiten im formellen Sektor. Rund 6,8 Millionen Familien, die derzeit kein Einkommen haben, sollen ab dieser Woche Zahlungen von etwas mehr als 200 Euro erhalten. Zuvor hatte die Regierung bereits Hilfszahlungen für Menschen in absoluter Armut, in ländlichen Regionen und für Selbstständige auf den Weg gebracht. Auch plant die Regierung, höhere Einkommen und Unternehmen durch eine Solidarsteuer an den Kosten der Krise zu beteiligen.

Schwierig gestaltet sich die Lage für die rund 167 000 inländischen Arbeitsmigranten, die aufgrund des lahmgelegten Fernverkehrs abseits ihrer Heimat festsitzen, 90 Prozent davon in der Hauptstadt Lima. Wie die Plattform »Ojo Público« berichtet, versuchten manche, zu Fuß in ihre Heimatprovinzen zu gelangen; andere zahlten teils horrende Summen an Lastwagenfahrer. Viele Regionalregierungen sind überfordert, den Rückkehrwilligen Unterkünfte für die verpflichtende 14-tägige Quarantäne bereitzustellen, was zu Verzögerungen bei den humanitären Rückführungen führt.

Die Wirtschaftsprognosen Perus sehen schlecht aus. Viele Betriebe, darunter große Bergbaufirmen, mussten ihre Produktion stark herunterfahren - für das vom Primärgüterexport abhängiges Land bedeutet das hohe Verluste. »Wir schließen nicht aus, dass das Minus zweistellig wird«, schätzte der Chefökonom der BBVA-Bank Hugo Perea die diesjährige Entwicklung des peruanischen Bruttoinlandsprodukts ein.

Unternehmen wurden zum Überbrücken der Krise großzügig Kredite gewährt, für die Zeit nach der Quarantäne hat die Regierung öffentliche Investitionen in Höhe von 30 Milliarden Dollar angekündigt. Zudem wurde Unternehmen ermöglicht, Arbeitsverhältnisse ohne Lohnfortzahlung für bis zu 90 Tage pausieren zu können. Angaben des Arbeitsministeriums zufolge haben dafür bereits über 8000 Unternehmen einen Antrag gestellt. Betroffene Angestellte können ihre Arbeitslosenversicherung und den Rentenfonds anzapfen, Geringverdiener erhalten Zuschüsse aus der Gesundheitsversicherung.

Für Überraschung sorgte vergangenen am Freitag der Rücktritt des Innenministers Carlos Morán - aus persönlichen Beweggründen, wie Premierminister Vicente Zeballos versicherte. Er wurde durch den Generalleutnant der Nationalpolizei Gastón Rodríguez ersetzt. Zuvor war publik geworden, dass sich über 1300 Polizisten mit dem Coronavirus infiziert hatten - vor den Polizeikrankenhäusern bildeten sich teils lange Schlangen für Tests.

Für Kritik an der Polizeiführung sorgten auch fragwürdige Ausgaben für Schutzmaterial. Beamte hatten ein Unternehmen, welches nicht im Gesundheitssektor agierte, mit der Lieferung von 700 000 Schutzmasken für umgerechnet 2,2 Millionen Euro beauftragt. Der Zeitung »La República« zufolge wird nun auch gegen einen Vertrauten Moráns ermittelt. Insgesamt untersucht die Staatsanwaltschaft sieben Fälle verdächtiger Aufträge in einer Gesamthöhe von rund sieben Millionen Euro.

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