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Vor der langen Durststrecke
MEINE SICHT fordert den Ausbau des Nahverkehrs auch in der Krise
Fünf bis sieben Milliarden Euro - so viel Geld werden den deutschen Verkehrsbetrieben laut Schätzung des Verbands VDV bis Jahresende aufgrund der Corona-Pandemie in den Kassen fehlen. In Berlin geht es um eine dreistellige Millionensumme, allein die BVG rechnet mit bis zu 180 Millionen Euro. Für Brandenburg hat der Landrat des Kreises Dahme-Spreewald, Stephan Loge, bereits Ende März eine Finanzierungslücke von bis zu fünf Millionen Euro monatlich für die kommunalen Verkehrsbetriebe ausgemacht. »Die Situation ist dramatisch«, kommentierte das Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) am Donnerstag im Verkehrsausschuss. »Wenn da keine Unterstützung vom Bund käme, würde der ÖPNV in schwere See kommen«, sagte sie.
Und selbst wenn die Corona-Beschränkungen schnell fallen sollten, wird noch jahrelang eine Erblast der Infektionsangst bleiben. Denn das Auto hat sich als deutlicher Wohlfühlfaktor in der Pandemie etabliert, wie eine aktuelle Umfrage des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt ergibt. Fast zwei Drittel der Nutzer von öffentlichem Nah- und Fernverkehr fühlen sich nun dort unwohler als vor Corona. Ein Drittel der Befragten ohne Auto hätten nun gerne eins, immerhin sechs Prozent planen tatsächlich die Anschaffung.
Es müssen nicht nur die ungeplant auslaufenden Defizite im Nahverkehr ausgeglichen werden. Gerade in der anstehenden Wirtschaftskrise muss der Ausbau weiter vorankommen. Denn die Verkehrswende bleibt eine der wichtigsten Prioritäten, um die Klimakrise abzumildern. Und nur mit dem Fahrrad wird sie nicht gelingen. Daher ist es richtig, wenn das Berliner SPD-Abgeordnetenhausmitglied Sven Heinemann empfiehlt, die derzeit rückläufigen Fahrgastzahlen als Verschnaufpause zu nutzen, während der Ausbau und Instandhaltung vorangetrieben werden können. Investitionen in einen besseren Nahverkehr bringen die Welt deutlich mehr voran als eine weitere Abwrackprämie für Autos. Die Krise muss eine Chance für den Ausbau sein. Wenn sogar die sonst immer knausrigen Haushälter das so sehen, ist das schon mal ein Anfang. Nun muss auch der Bund auf den Trichter kommen.
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