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Das System ist das Problem

Demokraten-Politikerin Amy Klobuchar hat Untersuchung problematischer Einsätze von weißem Polizist Derek Chauvin verhindert

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Die halbe USA hat in einem Video gesehen, wie langsam das Leben aus George Floyd entweicht. Wie sein Kopf minutenlang auf den Asphalt gedrückt wird, bis er ohnmächtig ist. Die Polizeigewalt gegen Afroamerikaner, die für viele Schwarze traumatisierend und nur schmerzhafte Wiederholung ist, hat in den vergangenen zwei Tagen ob des drastischen Bildmaterials auch das weiße Amerika erreicht. Das Video der Festnahme wurde millionenfach online gesehen. Und: Anders als in vielen anderen Fällen sorgen Aktivisten und Anwohner in Minneapolis derzeit dafür, dass es dieses Mal nicht bei ein paar betroffenen oder wütenden Posts auf Social Media bleibt.

Auch am Mittwoch gab es Proteste gegen den Tod von Floyd, bei denen es auch zu Stein- und Flaschenwürfen kam. Die Polizei hatte, wie schon am Vortag, Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt. Im Zuge der Proteste wurde auch ein Polizeirevier von Demonstranten attackiert. Bilder in sozialen Medien zeigen splitternde Scheiben bei mehreren geparkten Polizeiautos - offenbar auf einem Parkplatz eines Polizeireviers.

Im Laufe des Mittwochabends wurde auch ein Target-Supermarkt und weitere Läden geplündert. Ein Autoteilehandel und mehrere Gebäude wurden in Brand gesetzt. Die Stadt Minneapolis forderte Mittwochnacht laut lokalen Medien die Unterstützung der Nationalgarde des Bundesstaates Minnesota an.

»Eine Sache ist klar, es gibt enorm viel Wut über den Tod von George Floyd. Mehrere Menschen, mit denen ich gesprochen habe, haben mir erzählt, es sei ihnen egal, ob die Menschen ihre Methoden - Plünderung und Zerstörung von Eigentum - gutheißen«, schrieb Liz Sawyer, Journalistin der Lokalzeitung »Star Tribune« auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Mittwochnacht äußerte sich auch US-Präsident Trump auf Twitter nach tagelangem Schweigen und versprach eine »schnelle Untersuchung« des Falls durch die Bundespolizei FBI, durch das Justizministerium und »Gerechtigkeit«. Der US-Präsident, der sonst vor allem mit Rassismus Wahlkampf macht und gerne weiße Nationalisten hofiert, will für seine Wiederwahl auch einige Schwarzen-Stimmen erhalten.

Zwar hat die Stadt bereits die vier an der Verhaftung mit Todesfolge beteiligten Polizisten entlassen. Der Bürgermeister hat sich für den Tod des 44-Jährigen, den seine Familie als »sanften Giganten« beschreibt, entschuldigt. Doch das reicht den Demonstranten vor Ort nicht. Sie fordern die Verhaftung und eine Mordanklage gegen den weißen Polizisten Derek Chauvin.

Das forderte auch die Demokratische Kongressabgeordnete aus Minneapolis, Ilhan Omar. Die somalischstämmige Abgeordnete ist selbst immer wieder Ziel von rassistischen Attacken im Internet geworden, plädierte nun aber für friedlichen Protest. »Es ist herzzerreißend und ich bin frustriert, das so etwas immer wieder passiert und Gerechtigkeit einfach nicht erreichbar erscheint«.

Neben auffallend viel Empörung über die Plünderungen fordert der rechte Nachrichtensender »Fox News« nun, dass »das System« seine Arbeit machen müsse. Doch für viele Demonstranten ist genau »das System« dafür verantwortlich, dass Derek Chauvin weiterhin ohne juristische Überprüfung übermäßige Gewalt im Dienst anwenden konnte.

Vier Menschen starben 2005 und 2006 nach Polizeieinsätzen, an denen Chauvin beteiligt war. Doch zu einer Untersuchung der Fälle kam es nicht, weil Amy Klobuchar, die von 1999 bis 2007 die dafür zuständige Staatsanwältin in Minnesota war, es ablehnte, Untersuchungen gegen Chauvin und zwei Dutzend anderer Polizeibeamte einzuleiten, die im Dienst Bürger erschossen hatten.

Stattdessen profilierte sie sich in den weißen Vororten von Minneapolis mit einem »tough on crime« Kurs für ihren Senatswahlkampf 2006. Aktuell ist die Ex-Präsidentschaftskandidatin, die bei den diesjährigen Vorwahlen kaum schwarze Unterstützung erreichen konnte, im Gespräch als Vize-Präsidentschaftskandidatin von Joe Biden.

Klobuchar hat sich indes in einem windelweichen Statement zum Tod von George Floyd für eine »unabhängige und gründliche« Untersuchung des Vorfalls ausgesprochen. Doch die tödliche Polizeigewalt ist nur die Spitze des Eisberges - auch in Minneapolis. Laut Daten der örtlichen Polizei richten sich 62 Prozent aller Polizeikontrollen in Minneapolis gegen schwarze Einwohner, aber nur 21 Prozent gegen Weiße. Letztere stellen aber 63 Prozent der Stadtbevölkerung. Schwarze hingegen nur 18 Prozent.

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