Oppositionskandidat in Belarus festgenommen

Vor den Präsidentschaftswahlen warnt Amtsinhaber Lukaschenko vor Protesten

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor den Präsidentschaftswahlen verschärft sich in Belarus die Lage. Am 18. Juni wurde in Minsk der Oppositionskandidat und Bankier Wiktor Babariko festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung gegen die Belgazprombank, der Babariko vorsteht.

Die Belgazprombank ist eine Tochter der russischen Gazprombank und wurde im Zuge der Ermittlungen von der belarussischen Zentralbank vorläufig unter Zwangsverwaltung gestellt. »Dieser Bankier müsste mal darüber nachdenken, wo er nach den Wahlen arbeiten wird«, meinte Lukaschenko zu Babariko, der im Land hohes Ansehen genießt - auch deswegen, weil er nicht zur oft nationalistischen Opposition gehört. Nachdem Babariko in Internetumfragen vor Lukaschenko lag, wurden diese vom Staat untersagt.

Lukaschenko bezeichnet Babariko wegen seiner Geschäftsbeziehungen als Kandidat Moskaus. Aber ob der Kreml einen direkten Einfluss auf ihn hat, ist fraglich. Allerdings waren die Beziehungen zwischen Belarus und Russland zuletzt alles andere als gut. Daher könnte die russische Regierung in der Tat eigene Interessen im belarussischen Wahlkampf verfolgen.

Am 9. August finden in Belarus Präsidentschaftswahlen statt. Alexander Lukaschenko, seit 1994 Staatsoberhaupt, wird zum insgesamt sechsten Mal antreten. Zwar ist davon auszugehen, dass der autoritär regierende Präsident auch diesmal die Nase vorn haben wird. Doch die Politik der Regierung in der Coronakrise ist in der Bevölkerung extrem unpopulär. Das scheint inzwischen auch Lukaschenko zu erkennen, denn Anfang Juni entließ er plötzlich seine Regierung.

Abgesehen von Babariko gibt es zwei weitere aussichtsreiche Anwärter. Deutlich vor dem Ende der Anmeldefrist am 19. Juni erreichte Walerij Zepkalo die zur Kandidatur nötigen 100 000 Unterschriften.

Der ehemalige Diplomat hat einst den Belarus Hightech Park gegründet, der zur Entwicklung der lokalen IT-Branche beitrug. Weder Zepkalo noch Babariko sind knallharte Oppositionelle, setzen sich aber für Veränderungen im Land ein.

Als Kandidat der eher apolitischen Bevölkerung gilt Sergej Tichanowskij. Der aus Homel stammende Blogger berichtet auf seinem YouTube-Kanal »Ein Land für das Leben« über die Gesetzlosigkeit in Belarus. Für seinen Wahlkampf wählte er den Slogan »Stoppt die Schabe«, unter anderem eine Anspielung auf den Schnurrbart von Lukaschenko. Doch weil Tichanowskij nach der Erklärung seiner Kandidatur vorläufig für 15 Tage festgenommen wurde, konnte er die nötigen Papiere selbst nicht unterschreiben. Deswegen nimmt nun seine Frau Swetlana als Kandidatin am Wahlkampf teil, ohne selbst groß aufzutreten.

Nach seiner Freilassung tourte Tichanowskij durch das Land, um Unterschriften für seine Frau zu sammeln. Schließlich wurde er Ende Mai in Hrodna erneut festgenommen, ihm drohen nun bis zu drei Jahren Haft. Dies hat eine noch größere Empörungswelle ausgelöst, die Unterschriftssammlungen für Tichanowskaja werden nun zu großen Veranstaltungen. So zum Beispiel in Minsk, wo gleich nach der Festnahme in Hrodna geschätzt 2000 Menschen vier Stunden in der Schlange standen, um eine Unterschrift für die Frau des Bloggers abzugeben. Am gleichen Tag wurden bei Straßenprotesten rund 30 Demonstranten festgenommen. Anders als Babariko und Zepkalo ist die Kandidatur von Swetlana Tichanowskaja noch nicht offiziell bestätigt. Nach eigenen Angaben hat sie aber bereits genug Unterschriften gesammelt.

Derweil warnen Lukaschenko und sein Innenministerium bereits vor einem Maidan. Außerdem wies der Präsident auf Verbindungen von Tichanowskij, der mit seinem Studio Werbung und Videos für bekannte Russen produzierte, mit Moskau hin.

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