Borstenwurm stoppt LNG-Terminal

Die Existenz von Meeresbiotopen in der Jade könnte das Anlanden von Flüssiggas bei Wilhelmshaven noch verhindern

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Energiekonzern Uniper will unweit des Jade-Weser-Ports im niedersächsischen Wilhelmshaven ein LNG-Terminal bauen, an dem Tankschiffe mit verflüssigtem Erdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) anlanden können. Doch der vorgesehene Standort für das umstrittene 300-Millionen-Euro-Projekt erwies sich als ungeeignet, weil die Anlage über einem Unterwasserbiotop entstehen würde. Dieses ist geschützt als Heimat vieler kleiner Lebewesen, darunter der Borstenwurm. Uniper suchte daher nach einem Ausweichstandort und fand in der Jade eine Stelle, wo ein 350 Meter langes, schwimmendes LNG-Terminal eingerichtet werden könnte. Auf der »künstlichen Insel« unweit von Deutschlands einzigem Tiefwasserhafen würde das beispielsweise aus dem Wüstenstaat Katar importierte LNG mittels einer Wiederverdampfungsanlage in Gas zurückverwandelt und über eine Leitung an Land transportiert, wo es über das Pipelinenetz weiterverteilt wird.

Doch Fachleute warnen, dass auch unter dem neuen Platz ein schützenswertes Biotop liegen dürfte. Das Gewässer dort ist reich an solchen Grobsandvorkommen. Die Deutsche Umwelthilfe fordert daher den sofortigen Stopp des Projekts. »Wir haben frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass das Terminal in direkter Nachbarschaft zum Nationalpark Wattenmeer und streng geschützten Naturschutzgebieten nicht genehmigungsfähig ist«, erinnert Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Das Vorhaben würde Naturräume zerstören und die Klimaziele missachten.

Kritik kommt auch von den Grünen im niedersächsischen Landtag. Sie missbilligen, dass die rot-schwarze Landesregierung das Projekt in Wilhelmshaven gutheißt. »SPD und CDU zementieren hier die Abhängigkeit von fossilen Energien für die nächsten Jahrzehnte und geben damit ihre eigenen Klimaziele auf«, rügt die energiepolitische Sprecherin der Fraktion, Imke Byl.

Dass sich die Koalition in Hannover von den Uniper-Plänen distanziert, ist nicht zu erwarten. Ende 2018 hatte Umweltminister Olaf Lies (SPD) Wilhelmshaven als idealen Standort für ein LNG-Terminal auserkoren. Und Gas sei eine wichtige Brückentechnologie in der Energiewende, könne auch helfen, den Treibhausgasausstoß zu senken. Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) betont, ein künftiges LNG-Terminal solle so ausgelegt sein, dass auch Wasserstoff angelandet werden könne. Die Infrastruktur dieses Energieträgers will die Bundesregierung ebenfalls massiv ausweiten. Althusmann berichtet, er habe von Uniper erfahren, dass ein so erweitertes Projekt wohl erst 2024 oder 2025 fertiggestellt werden könnte.

Es gibt indes Widerstand vor Ort. Eine im Februar in Wilhelmshaven gegründete Bürgerinitiative würde es begrüßen, wenn dieses Vorhaben und auch die anderen beiden in Deutschland geplanten LNG-Terminals in Stade (Niedersachsen) und Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) überhaupt nicht fertiggestellt werden.

Auf der politischen Ebene bezeichnet beispielsweise die Linksfraktion im Bundestag den Import von Flüssiggas als energie- und klimapolitischen Irrweg. LNG habe zudem eine noch schlechtere Klimabilanz als Pipeline-Erdgas, insbesondere wenn es wie in den USA mithilfe der Fracking-Technologie gefördert und per langem Schiffsweg nach Europa gebracht wird. Dennoch fördert die Bundesregierung den Aufbau der bisher fehlenden LNG-Infrastruktur in Deutschland.

Doch wie geht es nun mit dem Projekt in Wilhelmshaven weiter? Noch sei keine Entscheidung für einen Standort gefallen, teilte Uniper am Mittwoch mit. Man könne sich auch in Stade oder Brunsbüttel beteiligen.

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