Die Lizenz liegt auf Eis

Jurist Rodrigo Negreto über ein fehlerhaftes Umweltgutachten

  • Lesedauer: 3 Min.

Welche Relevanz hat das Beispiel der kleinen Kaffeestadt Jericó, die sich gegen die Eröffnung einer Kupfer- und Goldmine wehrt, auf nationaler Ebene?

Anfangs kannte kaum jemand in Kolumbien den Ort, obwohl die Stadt zum nationalen Kulturerbe gehört. Das hat sich aber in den vergangenen Jahren geändert, denn die dortige Umweltbewegung ist sehr aktiv und hat es geschafft, den Widerstand auch national bekannt zu machen. Hinter der Mine Quebradona, für deren Bau alle Untersuchungen und Vorarbeiten abgeschlossen sind, steht der südafrikanische Bergbaukonzern Anglogold Ashanti, der drittgrößte Goldförderer weltweit. Das Unternehmen will in der Region von Jericó ein großes Kupfer-Gold-Vorkommen ausbeuten. Es hat sein Umweltgutachten im Dezember 2019 vorgelegt und könnte bei Erhalt einer Umweltlizenz mit dem Bau der Mine beginnen.

Wie realistisch ist es, dass das Unternehmen diese Lizenz von der staatlichen Behörde ANLA (Autoridad Nacional de Licencias Ambientales) erhält?

Das ist schwer zu sagen in Kolumbien und hängt von vielen Faktoren ab. Für das Unternehmen ist die Förderung in Jericó der Startschuss für ein Megaprojekt, das mittlerweile auf nationaler Ebene deutlich bekannter und für die Wirtschaft des Landes relevant ist. Auf der anderen Seite mehren sich die kritischen Stimmen, nicht nur aus der lokalen Bevölkerung, von Bauern und der lokalen Umweltbewegung, sondern auch von einflussreichen Unternehmern aus Medellín, der Hauptstadt der Region Antioquia, zu der auch Jericó gehört.

Klingt positiv, aber Anglogold Ashanti ist ein Konzern mit großer Lobby ...

Genau, und die kolumbianische Nationalregierung ist bergbaufreundlich, bezeichnet den Bergbau als Lokomotive der Wirtschaft. Allerdings hat Ashanti in seinem Umweltgutachten einige Fehler gemacht und so zum Beispiel den Einfluss für die Nachbargemeinde Támesis als gering eingeschätzt. Das hat nun dazu geführt, dass ein zweiter öffentlicher Anhörungstermin in Támesis stattfinden muss, der wegen der Corona-Pandemie bisher nicht stattfinden konnte. Deshalb liegt die Umweltlizenz derzeit auf Eis.

Bis wann wird die ANLA entscheiden, ob gefördert werden darf oder nicht?

Geplant ist der Besuch vor Ort für den August, aber die Infektionszahlen steigen in Kolumbien rapide, sodass der Termin noch kippen kann.

Welche Rolle spielen die Lobbyisten?

Eine entscheidende, aber die mit Werbung garnierte Botschaft des verantwortungsvollen Bergbaus hat Risse bekommen. Touristische Investitionsprojekte wurden storniert, und Ex-Präsident Álvaro Uribe Vélez hat in einer Twitter-Botschaft kundgetan, dass er gegen das Projekt ist. Das hat Gewicht und ist ein Erfolg der Umweltbewegung, die es geschafft hat, auf die Perspektiven hinzuweisen, die Landwirtschaft und Tourismus für die Region bieten. Die Stimmung hat sich gedreht, aber das heißt nicht, dass die Lizenzierungsbehörde das auch so sieht.

Wie sieht Ihre Strategie vor der Behörde aus?

Wir werden Fehler und Widersprüche im Umweltgutachten aufzeigen, die belegen, dass der Bergbau ein Risiko für die Wasserquellen der Region ist. Wir hoffen auf Einsicht der verantwortlichen Experten.

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