Ohne Basis und meist Missverstanden

Ralf Krämer über Risiken und Nebenwirkungen einer wohlklingenden, aber meist missverstandenen Idee.

  • Ralf Krämer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) ist in der gesellschaftlichen Linken und in der Partei Die Linke gleichermaßen umstritten. Befürworter*innen argumentieren mit Meinungsumfragen, die meist eine knappe Mehrheit zugunsten von BGE-Forderungen ergeben, wobei unter eher links und sozial eingestellten Personen die Mehrheit deutlicher ausfällt. Politische Parteien, die die Forderung nach einem Grundeinkommen erhoben haben, konnten damit hierzulande allerdings keine Erfolge erzielen (Grundeinkommen-Partei, ÖDP, Piraten …). Auch bei einer Volksabstimmung in der Schweiz 2016 haben sich nur 23 Prozent für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen.

Es zeigt sich immer wieder, dass große Unklarheit darüber herrscht, was die Forderung genau bedeutet und welche Auswirkungen damit verbunden wären. Das liegt zum einen daran, dass es sehr unterschiedliche Ideen eines Grundeinkommens gibt. Neoliberalen Modellen geht es darum, Arbeitnehmerrechte und den bisherigen Sozialstaat zugunsten eines Grundeinkommens auf Hartz-IV-Niveau zu schleifen. In sozial ausgerichteten, linken Modellen soll das BGE dagegen existenzsichernd sein und zusätzlich zu weiteren Sozialleistungen gezahlt werden.

Zum anderen meinen sehr viele derjenigen, die die BGE-Forderung gut finden, damit eigentlich gar kein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, sondern eine verbesserte soziale Grundsicherung für Bedürftige. Auch die Grundeinkommen, die in Italien eingeführt wurden und in Spanien eingeführt werden sollen, sind in Wirklichkeit eine Grundsicherung, ähnlich dem deutschen Hartz IV. Ein BGE, wie es etwa die BAG Grundeinkommen der Linken fordert, soll hingegen unterschiedslos für alle in der Gesellschaft gezahlt werden, unabhängig von Einkommen und Vermögen. Über 70 Millionen Menschen würden eine Leistung bekommen, die sie nicht brauchen, weil sie über genügend andere Einkommen verfügen. Dadurch ergibt sich ein Finanzvolumen von über 1000 Milliarden Euro jährlich, das umverteilt werden müsste - mehr, als Bund, Länder und Gemeinden 2019 zusammen ausgegeben haben.

Eine Umfrage, die der MDR in der vergangenen Woche veröffentlichte, bestätigt diese Unklarheiten. Zunächst hält danach mit 53 Prozent gegen 43 Prozent eine knappe Mehrheit ein BGE für sinnvoll. Im Durchschnitt werden gut 1200 Euro im Monat als angemessen bewertet. Doch bei den weiteren Fragen zeigt sich, dass 81 Prozent die Aussage unterstützen, dass es eine Vermögensgrenze geben sollte. 55 Prozent unterstützen die Aussage, dass das Grundeinkommen mit anderweitigen Einkünften verrechnet werden sollte. Die überwiegende Mehrheit spricht sich also in Wirklichkeit gar nicht für ein BGE aus, sondern für eine verbesserte Grundsicherung für Menschen ohne hinreichende andere Einkommen und ohne größere Vermögen. Eine solche verbesserte bedarfsabhängige Grundsicherung, meinetwegen mag man sie auch Grundeinkommen nennen, ist in der Linken unstrittig - ganz im Gegensatz zur Forderung nach einem BGE.

Weiterhin zeigt die Umfrage, dass 57 Prozent nicht bereit sind, im Gegenzug für ein BGE Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Selbst von den 23 Prozent, die sich dazu bereit erklären, würden nur 52 Prozent dafür auf Sozialleistungen wie Hartz IV oder Kindergeld verzichten. Das sind nur zwölf Prozent aller Befragten. Und sogar nur 30 Prozent von ihnen, also nur sieben Prozent aller Befragten, wären bereit, für ein BGE höhere Steuern und Abgaben zu zahlen. Ein BGE wäre aber nur möglich, wenn dafür bisherige Sozialleistungen entfallen und massiv erhöhte Steuern oder Abgaben das Geld reinholen würden, das auf der anderen Seite ausgeschüttet werden soll.

Wegen der immensen Summen, die umverteilt werden müssten, wäre es ökonomisch unmöglich, diese hauptsächlich zu Lasten des Kapitals und der Reichen aufzubringen. Im Gegenteil wäre zu befürchten: Das Kapital könnte ein BGE zu verschärfter Lohndrückerei, gegen Arbeitnehmerrechte und Tarifverträge und gegen den Sozialstaat nutzen. Die Forderung nach einem BGE erweist sich damit als eine gefährliche Fehlorientierung. Für ein soziales BGE gibt es weder eine ökonomische noch eine soziale und politische Basis.

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