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Platz für alte Requisiten und Plakate

Das Potsdamer Filmmuseum bekommt ein neues Depot - der Grundstein ist gelegt

  • Wilfried Neisse, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

»Aber jeder bitte nur ein Kreuz«, sagt ein römischer Offizier zu den zur Kreuzigung verurteilten Juden in der britischen Kultkomödie »Das Leben des Brian«. Darauf anspielend begann die Präsidentin der Potsdamer Filmuniversität Susanne Stürmer ihre Begrüßungsrede mit den Worten: »Nicht für jeden ist ein Kreuz da.« Denn auf den Boden gemalte Kreuze sollten den Corona-Abstand unter den Gästen wahren, die zur feierlichen Grundsteinlegung gekommen waren. Unter ihnen begrüßt wurde auch Volker Schlöndorff. Der bekannte Regisseur erwägt, seine filmische Sammlung nach Potsdam an das Filmmuseum zu geben. Seit 30 Jahren befindet sich die genannte Sammlung im Filmmuseum in Frankfurt am Main.

Man könne vieles per Computer erledigen, aber eine Grundsteinlegung »muss physisch erfolgen«, meinte Universitätspräsidentin Stürmer. Direkt gegenüber des Hauptgebäudes der Hochschule an der Marlene-Dietrich-Allee in Babelsberg ist eine gewaltige Baugrube ausgehoben. Und nach den Festreden - in gleißender Sonne bei Backofenhitze - wurde hier der Grundstein für das fünfstöckige neue Archiv gelegt. Er schwebte an einem Kran hängend und zu den Klängen von »Freude schöner Götterfunken« ein. Der Grundstein hat die Form einer riesigen Filmklappe, mit der bei Dreharbeiten Beginn und Ende einer Filmszene markiert werden. Von so einer Klappe haben sich die Architekten des Neubaus bei der äußeren Gestaltung des Hauses inspirieren lassen. Man werde diese Form aber nur »aus der Luft wahrnehmen«, merkte der Chef des benachbarten Filmparks, Friedhelm Schatz, an.

Die Deutsche Bücherei in Leipzig soll an eine ägyptische Papyrusrolle erinnern, das alte Universitätshochhaus in Leipzig an ein aufgeschlagenes Buch und das Hotel in Oberhof an zwei Sprungschanzen. Potsdams neues Archivgebäude - die Bauherren sprechen von einem »Sammlungsneubau« - soll im Frühjahr 2022 bezogen werden und dann für die Bestände des 1981 gegründeten Filmmuseums exquisite Lager- und Bearbeitungsbedingungen bieten. Seine Fensterbänder werden an Filmbänder erinnern, erklärte Filmpark-Mitgesellschafter Jan Kretzschmar. Bisher lagerten die Exponate in einem Gebäude in der Pappelallee und keineswegs unter optimalen Bedingungen, wie Universitätspräsidentin Stürmer sagte.

Die großzügigen Lagerräume werden im neuen Hause ergänzt durch Werkstätten, einen öffentlichen Schauraum und Arbeitsplätze für die Forschung. Vor einigen Jahren wurde das Filmmuseum Potsdam der Filmuniversität »Konrad Wolf« zugeordnet. Die Universität verfügt damit über eine bedeutende Sammlung, die sich vor allem aus den DEFA-Jahren speist. Bestandteile sind unter anderem rund 15 000 Filmplakate, Hunderttausende Fotos sowie Aufnahmetechnik aus den vergangenen 100 Jahren. Mit in das neue Haus umziehen werden auch die Produkte einer »Fälscherwerkstatt«, wie die Präsidentin sagte. Denn auch berühmte Kunstwerke wurden kopiert, wenn eine Filmszene dies erforderte. Zu nennen sind da Bilder von Vincent van Gogh und der »Schwebende Engel« von Ernst Barlach. Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) empfiehlt ausdrücklich den Film »Die Mörder sind unter uns«, den ersten der DEFA-Filme, die nach dem Zweiten Weltkrieg gedreht worden sind. In Babelsberg, dem Standort für Amüsement und Emotionen, seien Streifen wie »Die Feuerzangenbowle« (1944 mit Schauspieler Heinz Rühmann), aber auch »Jakob der Lügner« entstanden, insgesamt 3000 Spiel- und Fernsehfilme.

Regisseur Wolfgang Staudte drehte den Streifen »Die Mörder sind unter uns« im Jahr 1946 mit Schauspielerin Hildegard Knef. Der Film erzählt aus der Perspektive des Jahres 1945 in Rückblenden von einem Kriegsverbrechen, der Erschießung von polnischen Zivilisten im Jahr 1942. Der dafür verantwortliche deutsche Offizier lebt nun als Geschäftsmann, lässt aus Stahlhelmen Kochtöpfe fertigen und würde bei Bedarf aus Kochtöpfen auch wieder Stahlhelme machen.

Jurek Beckers Roman »Jakob der Lügner« wurde zweimal verfilmt: 1974 und 1999. Die frühe Fassung, bei der Regisseur Frank Beyer das Drehbuch mit Jurek Becker schrieb, ist die einzige DDR-Filmproduktion, die jemals für einen Oscar nominiert wurde. Bekannte deutsche und polnische Schauspieler wie Vlastimil Brodský, Erwin Geschonneck und Armin Mueller-Stahl wirkten mit. Das verfilmte Meisterwerk handelt von der Hoffnung in einem jüdischen Ghetto auf Befreiung durch sowjetische Truppen.

Ausgearbeitet wurden die Pläne für den Archivneubau noch unter der rot-roten Landesregierung Brandenburgs, die nach der Landtagswahl 2019 von einer rot-schwarz-grünen Koalition abgelöst wurde. Ex-Finanzminister Christian Görke (Linke) wohnte der Grundsteinlegung nun bei.

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