Die Kruse-Show

Die neue Nummer 10 von Union Berlin fällt bislang nur abseits des Platzes auf

  • Matthias Koch
  • Lesedauer: 4 Min.

Acht Neuverpflichtungen konnte der 1. FC Union Berlin bislang präsentieren, weitere kommen sicherlich noch dazu. Ein zusätzlicher, erstligatauglicher Schlussmann und ein Innenverteidiger könnten der Mannschaft im Kampf um den Klassenerhalt in der Bundesliga helfen. Der Königstransfer ist jedoch längst vor Ort. Mit der Vertragsunterschrift von Max Kruse sorgte der Klub aus Köpenick bei der Konkurrenz für einen großen Überraschungseffekt. Der ehemalige Nationalspieler, der wegen angeblich ausbleibender Gehaltszahlungen im Juni seinem letzten Arbeitgeber Fenerbahce Istanbul gekündigt hatte, stand auf der Liste einiger namhafter Mitbewerber: Um die Dienste des 32-Jährigen hatte sich auf jeden Fall dessen ehemaliger Verein Werder Bremen bemüht, auch Bayer Leverkusen soll um den gebürtigen Reinbeker gebuhlt haben.

Kruse entschied sich für Berlin. »Union war der erste Klub, mit dem ich gesprochen habe. Ich hatte gleich das Gefühl, dass ich hier willkommen bin und fußballerisch eine sehr gute Rolle spielen kann. Das ist für mich oberste Priorität«, sagte Kruse bei seiner Vorstellung am 7. August. »Dazu kommt für mich, dass Union in den letzten Jahren sehr viel aufgebaut hat. Ich möchte einfach meinen Teil dazu beitragen, dass der Verein weiter erfolgreich ist und so lange wie möglich in der ersten Liga bleibt.«

So richtig aktiv kann Kruse aber noch nicht sein. Im März hatte er sich noch bei Fenerbahce am rechten Sprunggelenk verletzt. Da die Verletzung zunächst nicht richtig diagnostiziert wurde und der Heilungsprozess dadurch verlängert wurde, erlebte der Offensivspieler bei Union bislang noch kein einziges Mannschaftstraining, geschweige denn Testspiele. Auch am Donnerstag, bei der ersten Übungseinheit in Berlin nach der Rückkehr aus dem neuntägigen Trainingslager in Bad Wörishofen, konnte er wieder nur individuell arbeiten. Die ersten Tage in Bayern hatte Kruse viel im Kraftraum geackert. Seit einer Woche ist bei den Einheiten mit Rehatrainer Christopher Busse immerhin regelmäßig der Ball dabei. Mit den Rekonvaleszenten Anthony Ujah und Akaki Gogia hat er dabei zwei Leidensgenossen - und Spaßkameraden. Für einen Witz ist Kruse immer zu haben.

Körperlich gibt er alles, um schnell wieder fit zu werden. Nach dem Sprinttraining am Montag war er jedoch so platt, dass er sich erst mal zu Boden warf, um zu verschnaufen. Union hofft, dass die neue Nummer 10 spätestens in Testspielen im September mitwirken kann. Sportchef Oliver Ruhnert geht davon aus, dass Kruse Mitte Oktober bei 100 Prozent Leistungsvermögen ist. Noch vor dem ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal am zweiten Septemberwochenende beim Zweitligisten Karlsruher SC soll dann auch Kruses Spielgenehmigung vorliegen. Der Weltverband Fifa teilte mit, dass Union am Montagabend noch fehlende Dokumente eingereicht hat. Indem die Eisernen ihre Hausaufgaben erledigt haben, konnte die Transferprozedur fortgesetzt werden. Nun ist der Deutsche Fußball-Bund am Zug. »Der DFB muss vom abgebenden türkischen Verband die Zustimmung erhalten«, sagte ein Fifa-Sprecher. Der nächste Schritt wäre dann die Transferfreigabe.

Kruse selbst gibt sich entspannt »Macht euch keine Sorgen. Zu dem Zeitpunkt, wenn das erste Pflichtspiel ansteht und ich wieder fit bin, werden wir die Spielberechtigung haben. Es wird alles geregelt«, postete er auf Instagram. Unions Kaderplaner Ruhnert erklärte dem »kicker«, dass Fenerbahce die für die Erteilung der Spielgenehmigung benötigten Dokumente hinterlegt habe.

Mit seiner Erfahrung dürfte ein spielberechtigter und fitter Kruse Union gut tun. Er weiß, wo das Tor steht und kennt die Bundesliga. In 250 Spielen für Bremen, Wolfsburg, Mönchengladbach, Freiburg und St. Pauli erzielte er 74 Treffer und bereitete 68 Tore vor. Mit Kruse hat Union auch einen neuen Star. Nach den Abgängen von beliebten Spielern wie Torwart Rafal Gikiewicz und Stürmer Sebastian Polter ist Kruse so etwas wie das neue Gesicht von Union. Er bekam auch sofort die Rückennummer 10, die bislang Torjäger Sebastian Andersson gehörte, dessen Verbleib noch immer nicht sicher ist. Mit Kruse können die Berliner auf jeden Fall variabler auftreten. Zwar ist er nicht so kopfballstark wie »Wandspieler« Andersson, agiert dafür als spielstarke hängende Spitze klug zwischen den Ketten des Gegners. Im besten Fall spielen Andersson und Kruse zusammen. Das würde Unions Team unberechenbarer machen.

Für Unterhaltung sorgt Kruse abseits des Rasens schon jetzt. Auf Instagram berichtet er täglich über sein Leben. Dazu gehören auch Pokerrunden oder Restaurantbesuche. Zudem interviewte er im Trainingslager mehrere Spieler. Spaßig versuchte er, in den zehn bis 15 Minuten langen Videos die neuen Kollegen aus der Reserve zu locken. Nicht so begeistert war davon Akaki Gogia: Er verließ die Gesprächssituation mit live. Das Video stellte Kruse auch nicht mehr auf Instagram ein.

»Es ist schon unterhaltsam. Wichtig ist, was er auf dem Platz zeigt. Wenn Spieler liefern, ist es mir egal, was sie privat machen«, sagte Kapitän Christopher Trimmel. Auch der 1. FC Union Berlin lässt die Kruse-Show zu. Von seiner Reichweite ist der Fußballprofi mit rund 400 000 Followern bei Instagram auch stärker als der Verein (110 000) und alle anderen Mitspieler. Hinter den Kulissen macht Union aber auch deutlich, dass niemand größer sei als der Verein. Das gelte auch für Max Kruse.

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