Kahlschlag im »Danni« droht

Räumung der Hüttendörfer und Fällung im Dannenröder Forst rückt näher

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Dannenröder Forst im hessischen Vogelsbergkreis sind seit Mittwochvormittag zahlreiche Polizeieinheiten im Einsatz. Sie begannen mit der Räumung der in den letzten Wochen und Monaten von Waldbesetzern und Umweltaktivisten errichteten Barrikaden und entfernten große dreibeinige Gestelle, sogenannten Tripods. Der Großeinsatz erfolgt in einem Gebiet, in dem die Behörden den Kahlschlag von insgesamt 80 000 Bäumen für die Fertigstellung der Autobahn A49 zwischen Kassel und Gießen planen.

Nach Angaben des Hessischen Rundfunks (HR) wurden zwei Umweltaktivisten von der Polizei festgenommen. Eine Räumung des Gebietes sei noch nicht geplant. Vorrangig gehe es um Zufahrtswege und Zugang zur Trinkwasserversorgung im Waldgebiet. »Heute werden keine Baumhäuser geräumt und es wird auch nicht gerodet«, zitiert der HR einen Polizeibeamten. Umweltschützer kritisierten das Vorgehen und wiesen darauf hin, dass es beim Einsatz gegen Sitzblockaden auch zu Handgreiflichkeiten seitens der beteiligten Beamten gekommen sei. Dass Polizisten mit der Räumung von Baumstämmen in unmittelbarer Nähe der Sitzblockaden Menschenleben gefährdeten, kritisierte Olaf Bandt von der Umweltorganisation BUND als »unverantwortlich«. Am Mittwoch errichteten Aktivisten ein neues Camp in einem weiteren von der Rodung bedrohten Waldstück.

Die Landtagsabgeordnete Heide Scheuch-Paschkewitz (Linke) war zusammen mit ihrem Fraktionskollegen Torsten Felstehausen in den Dannenröder Forst gereist, der von Öko-Aktivisten als »Danni« bezeichnet wird. Als Parlamentarische Beobachter vor Ort verfolgten beide vor Ort das Vorgehen gegen die Besetzer. Scheuch-Paschkewitz zeigte sich gegenüber »nd« tief beeindruckt von der »großen Solidarität« der Bevölkerung in der Umgebung mit den Umweltaktivisten. Viele Anwohner hätten sich in die Lebensmittelversorgung für die Besetzer eingebracht und ihre Duschen und Toiletten ebenso zur Verfügung gestellt wie Stromanschlüsse zum Aufladen von Mobiltelefonen. Die beiden Abgeordneten hatten sich vergeblich um direkte Kommunikation mit dem Einsatzleiter bemüht.

Seit knapp einem Jahr halten Umweltaktivisten Bäume im Dannenröder Forst besetzt. Das 300 Jahre alte Waldstück gilt als gesunder und vorbildlicher Mischwald und wesentlicher Trinkwasserspeicher für Mittelhessen und das Rhein-Main-Ballungsgebiet. »Der Widerstand wird weitergehen«, so das Bündnis »Sand im Getriebe« in einer aktuellen Erklärung. CDU und Grüne, die seit 2014 in Hessen harmonisch miteinander regieren, hatten Ende 2018 den Weiterbau der A49 im Koalitionsvertrag fixiert. »Wir müssen schlicht feststellen, dass wir diesen Kampf verloren haben«, zitiert die Regionalpresse Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne). Demgegenüber lehnen die Grünen im Bundestag und in hessischen Kreisverbänden rund um den »Danni« das Projekt ab. Der Weiterbau sei mit Blick auf die Klimakrise und angestrebte Mobilitätswende nicht mehr zu vertreten, so die Grünen-Bundestagsfraktion. »Die schwarz-grüne Landesregierung ist trotz des breiten Widerstandes gewillt, die Baumaßnahme noch in diesem Herbst durchzusetzen«, so die Initiative »Sand im Getriebe«.

»Statt für den Koalitionsfrieden zu schweigen, müssen sie endlich für den Klimaschutz handeln«, so die Forderung der hessischen Linksfraktion. Dass Polizei-Hundertschaften, Räumpanzer und Hubschrauber nun mit Billigung der hessischen Grünen ein völlig aus der Zeit gefallenes Projekt durchsetzen sollen, sei »ein trauriger Fall von politischer Schizophrenie«, so die Kritik an die Adresse der einstigen Ökopartei.

Unterdessen bekräftigte das Aktionsbündnis »Keine A49« am Mittwoch seine Forderung, die Räumungsarbeiten ruhen zu lassen: Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie müssten die Regierenden »verantwortlich mit der Gesundheit aller Beteiligten umgehen«. »Während Aktivisten derzeit im Freien wegen Corona-Infektionsgefahr nicht in Einzelzelten übernachten dürfen, sollen Polizeieinheiten in Dorfgemeinschaftshäusern, Kasernen und ähnlichen Einrichtungen rund um den Einsatzort untergebracht werden, wo sie auf engstem Raum Infektionsrisiken ausgesetzt werden«, heißt es in dem Schreiben.

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