Vom Klimastreik zur Klassenpolitik

Nach dem Aktionstag stellt sich für Fridays for Future die Strategiefrage.

  • Jordi Ziour
  • Lesedauer: 4 Min.

Streiken in der Schule, Uni und Betrieb, das ist unsere Antwort auf eure Politik!», schallt es von der Bühne am Brandenburger Tor in Berlin-Mitte. Trotz herabfallender Regentropfen und nasser Straßen stehen und sitzen Tausende Klimaaktivist*innen auf der Straße des 17. Juni, mit Abstand und Mund-Nasen-Schutz. Seifenblasen fliegen durch die Luft. Die Jugendlichen lachen, schwatzen, tanzen und hören den Redebeiträgen aufmerksam zu.

Fridays for Future hatte einen globalen Klimastreik mit über 3000 Protestveranstaltungen angekündigt. Unter dem Motto KeinGradWeiter demonstrierten die Aktivist*innen an über 400 Orten. Nach Angaben der Polizei nahmen alleine in Berlin nahezu 10 000 Menschen teil, die Veranstalter*innen sprachen von 21 000. Bundesweit seien viele Zehntausende auf der Straße gewesen.

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Wie geht es weiter?

In den letzten Monaten hatten Vertreter*innen von Fridays for Future über Frustration geklagt. Zwar hat die Bewegung maßgeblich zur Veränderung des gesellschaftlichen Diskurses beigetragen, doch konkrete politische Entscheidungen, die die Erde vor dem Klimakollaps bewahren könnten, stehen weiter aus. Die Bewegung ist uneins in der Strategiefrage. Einige kündigten an, für den Bundestag zu kandidieren, andere setzen auf zivilen Ungehorsam und radikale Gesellschaftskritik. Die junge Klimabewegung steht womöglich an einem Scheidepunkt: schaumstoff schlagende Grüne oder bedeutungslose Autonome?

Green New Deal als Strategie

Auch Ansätze eines Green New Deal werden bei Fridays for Future so kontrovers diskutiert wie anderswo in der politischen Linken. Das Konzept meint eine gesellschaftliche Veränderung hin zu einer sozial-ökologischen Welt, getragen als gemeinsames Projekt von Parteien, Gewerkschaften und Klimabewegungen. Der Kern des Konzepts: den Klimawandel stoppen bei gleichbleibendem Wohlstand. Das soll durch ein staatliches Investitionsprogramm erreicht werden, bei dem die wegfallenden Jobs in der fossilen Energiegewinnung durch Umschulungen aufgefangen werden und es für jeden eine Jobgarantie gibt.

In der Linkspartei wird die Idee seit einigen Jahren diskutiert. Im März 2020 hielt die Linke sogar eine Strategiekonferenz zu dem Thema ab. «Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gehen Hand in Hand», teilt der Parteivorsitzende Bernd Riexinger auf nd-Anfrage mit. «Die Krisen im Sozialen und im Ökologischen haben denselben Ursprung: ein System, in dem Profit und immer mehr Profit als ultimativer Maßstab gilt.»

Eine gesellschaftliche Aufgabe

Für ein Umsteuern müssten alle an einem Strang ziehen. Das Anti-Kohle-Bündnis Ende Gelände etwa sieht aber die Zusammenarbeit mit Parteien eher kritisch. «Wir können nicht mehr auf Mehrheiten, Kommissionen oder Chartas warten - die Klimakrise passiert jetzt, und die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass kein politischer Wille besteht, die Klimakrise zu stoppen. Keine der derzeitigen Parteien hat ein Konzept, das die 1,5-Grad-Grenze einhalten würde», erklärt Ronja Weil, Pressesprecherin von Ende Gelände, dem «nd». Sie betont aber, dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, den Systemwandel einzuleiten und durchzusetzen.

Bei Fridays for Future lehnen manche das Konzept ab, weil es zu unkritisch sei und den Kapitalismus nicht überwinde. «Andere finden das Konzept gut. Es gibt keine einheitliche Perspektive auf das Thema», so Asuka Kähler, Pressesprecher von Fridays for Future, im Gespräch mit «nd».

Zuletzt kritisierte der Paritätische Wohlfahrtsverband Fridays for Future scharf und stieg kurzerhand als Unterstützer aus - mitten in der heißen Phase der Streikvorbereitungen. «Was wir bis heute vermissen, ist eine klare Positionierung von Fridays for Future als Bewegung für eine solche sozial gerechte Klimawende», erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, in einem Statement zu der Entscheidung. Kähler räumt Fehler ein: «Ich denke, der Vorwurf entstand einerseits aus Fehlkommunikation unsererseits und hat andererseits seine Berechtigung. Es ist eine ernst zu nehmende Kritik. Wir müssen die sozialen Aspekte deutlich stärker thematisieren und mehr mit Gewerkschaften zusammenarbeiten. Wir werden die soziale Frage bei der Bundestagswahl stärker mitdenken.»

Bei Ende Gelände ist bereits jetzt klar, dass man «die Kämpfe verbinden» will. «Zum Beispiel im Care-Bereich: Als Ende-Gelände-Ortsgruppe haben wir mit dem Gesundheitspersonal dafür gekämpft, das Fallpauschalensystem abzusetzen», sagt Sprecherin Weil. Auch für Fridays for Future könnten die neuen Bündnisse eine Chance sein, den hochgesteckten Zielen näherzukommen.

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