Werbung

Unfall oder Vorsatz - Zwischenfall bei Demo gegen AfD in Schleswig-Holstein

Frau durch Pick-up-Truck verletzt, Polizei ermittelt

  • Dieter Hanisch, Bad Segeberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Dramatischer Zwischenfall am Ende einer AfD-Veranstaltung am Samstag in Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg), zu der sich auch 300 Gegendemonstrierende eingefunden hatten: Ein Fahrzeug mit mutmaßlichen Anhängern der Partei fuhr in eine kleine Gruppe von Demonstrant*innen und verletzte dabei eine junge Frau so schwer, dass diese mit dem Rettungswagen in eine Klinik eingeliefert werden musste. Um offenkundige AfD-Anhänger und aufgebrachte Gegendemonstrant*innen voneinander zu trennen, hatte ein Polizist dann sogar einen Warnschuss abgegeben, was die ganze Anspannung der Situation wiedergibt.

Die Polizei ermittelt nun gegen den Pkw-Fahrer aus dem Kreis Segeberg wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, was eine Unfall-These schon einmal auszuschließen scheint. Beobachter fragen sich vor diesem Hintergrund allerdings, warum bei den nun anstehenden Ermittlungen dem Fahrer mit seinem Pick-up nicht auch eine vorsätzliche Tötungsabsicht unterstellt werden kann. Nach einer ersten polizeilichen Befragung wurde der Mann wieder auf freien Fuß gesetzt. Es gibt Zeugenaussagen, die betonen, dass die Demonstrant*innen vorschriftsmäßig den Bürgersteig nutzten. Augenzeugen aus einer beteiligten Antifa-Gruppe sprechen davon, dass der Fahrer »mit Vollgas aus dem Stand auf den Gehweg« gesteuert habe. Demzufolge soll er dort und auf einem Grünstreifen insgesamt sogar drei Menschen erfasst haben, ehe er nach 80 Metern anhielt.

Der Vorfall ereignete sich am Ende einer AfD-Veranstaltung, zu der der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen angereist war. 60 Besucher hatte die Partei dafür mobilisiert. Nach Parteiangaben wären ohne Corona-bedingte Auflagen noch mehr Interessierte gekommen. Vor dem Veranstaltungsort demonstrierten ungefähr 300 AfD-Gegner*innen lautstark und bis auf einige Rangeleien weitgehend friedlich. Bereits die Anreise zur Parteiveranstaltung gestaltete sich für die AfD-Sympathisant*innen und -Mitglieder*innen schwierig, der Gang ins Veranstaltungsgebäude glich unter ohrenbetäubendem Lärm einem Spießrutenlauf. Der AfD-Abgeordnete Claus Schaffer, vor seinem Einzug in den Kieler Landtag selbst Kriminalbeamter, beklagte sich deshalb auch darüber, dass die Einsatzstärke der Polizei in Henstedt-Ulzburg viel zu gering ausgefallen sei. Erst am Freitag twitterte der Kriminalhauptkommissar das gängige AfD-Denkmuster: Antifa ist antidemokratisch.

Meuten und Mitstreiter*innen hatten sich für ihre Veranstaltung das Thema Corona und die wirtschaftlichen Auswirkungen auf ihre Agenda gesetzt. Der Kreis Segeberg ist eine der Hochburgen der Partei im nördlichsten Bundesland, wo durch einen Fraktionsaustritt eines Abgeordneten am 25. September die Fraktion zerbrach. Bereits im Februar kamen anlässlich eines Bündnisaufrufes gegen eine AfD-Veranstaltung des Hamburger Landesverbandes in Henstedt-Ulzburg über 500 Protestierende zusammen. Die Partei, die nach Schwierigkeiten in der Hansestadt überhaupt einen Veranstaltungssaal zu bekommen, zum Bürgerschaftswahlkampf 30 Kilometer nördlich nach Schleswig-Holstein ausweichen wollte, sagte das anvisierte Treffen schließlich kurzerhand ab.

Aus Solidarität mit dem Opfer trafen sich am Sonntagnachmittag noch einmal Freunde und Bekannte der Frau in Henstedt-Ulzburg zu einer spontanen Kundgebung. Die Polizei hat angekündigt, am Montag mit weiteren Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal