Hundebiss kostet 100 000 Euro

Haftpflicht für Tiere

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Viele Deutsche lieben Tiere. Mehr als 30 Millionen Haustiere werden hierzulande gehalten, so der Industrieverband Heimtierbedarf (IVH). Darunter befinden sich alleine 10 Millionen Hunde. Und er ist nicht allein treuer Begleiter und Freund des Menschen, sondern zugleich auch ein Raubtier. Dennoch steigt die Zahl der Heimtiere seit Jahren. Das hängt auch mit der steigenden Zahl von Singlehaushalten zusammen.

Ein Ende des Trends ist nicht in Sicht: Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden haben ergeben, dass die Zahl der Einpersonenhaushalte bis 2040 um 2 Millionen auf dann 19,3 Millionen Haushalte ansteigen wird. Doch während sich früher vor allem Haushalte mit kleinen Kindern ein (kleines) Haustier anschafften, sind es heute zunehmend Einpersonenhaushalte, die sich mit Katze oder Hund das Alleinsein vertreiben wollen.

Da etwa jeder zweite Single ein Tier hält, wird der Heimtiermarkt immer größer und hat sich längst zu einer regulären Industrie ausgewachsen.

Im vergangenen Jahr erzielte die deutsche Heimtierbranche einen Umsatz von 5,2 Milliarden Euro - ein Plus von mehr als zwei Prozent. Davon profitiert vor allem der Fach- und Lebensmitteleinzelhandel. Aber auch die Assekuranz steigt immer stärker in den vergleichsweise neuen Markt ein.

Als ein Branchenprimus gilt der Hamburger Versicherer Hanse-Merkur. Bislang versichert man Hunderttausende von Hunden. Laut »Finanztest« können Kranken-Vollversicherungen für diese Vierbeiner bis zu 1300 Euro im Jahr kosten. Nachdem sich eine im Jahr 2019 eingeführte OP-Versicherung gut verkaufte, plant Hanse-Merkur nun auch Absicherungen für Katzenhalter. Andere Anbieter haben das schon im Programm.

Ein Klassiker auf dem »Heimtiermarkt«, so der Branchenbegriff, sind Haftpflichtversicherungen. Kleintiere wie Hamster, Mäuse und Katzen sind normalerweise über eine Privathaftpflicht mitversichert - Hunde jedoch nicht. Um sich gegen Schäden abzusichern, brauchen Hundehalter eine Hundehaftpflichtversicherung. Ein Muss, denn sie deckt Vermögens-, Sach- und Personenschäden ab. Ein Jahresbeitrag für einen Hund liegt bei etwa 50 Euro.

Selbst Dackel sind gefährlich

Vor diesem Hintergrund erregt ein Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main unter Juristen großes Aufsehen. In dem Richterspruch geht es um eine Frau, die sich auf einer Parkbank mit ihrem angeleinten Hund niederließ. Ein zweijähriges Kind näherte sich dem Hund und fasste das Tier an. Der Hund erwies sich (erneut) als aggressives Tier: Erst knurrte es, dann biss es das Kind ins Gesicht. Eineinhalb Monate musste das Kleinkind stationär im Krankenhaus behandelt werden, damit die schweren Verletzungen heilten.

Der Hund hatte schon vorher gelegentlich zugebissen. Die Frau mit ihrem Liebling durfte sich daher keinen Kindern unter 14 Jahren mehr nähern. Gegen die Hundehalterin erging ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung. Sie wurde außerdem verurteilt, an das Kind rund 100 000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.

Für diesen Schaden sollte ihre Hundehalter-Haftpflichtversicherung aufkommen. Das Versicherungsunternehmen sah sich jedoch nicht in der »Einstandspflicht«. Grundlage für diese Einschätzung war eine Klausel im Vertrag, die Leistungen ausschließt, sobald eine Pflichtverletzung vorliegt. Die Klausel greift aber nur, sobald der Schaden »durch bewusstes Abweichen« von Gesetzen oder Verordnungen zur Hundehaltung verursacht wurde. Eine solche Pflichtverletzung habe die Frau aber in diesem Fall nicht begangen, urteilte das Oberlandesgericht.

Der Versicherer muss also die 100 000 Euro zahlen. Gleichzeitig bestätigte aber das Gericht, dass eine solche Ausnahmeklausel rechtens ist. Sobald eine bewusste Pflichtverletzung der Hundehalter nachweisbar ist, muss die Versicherung nicht mehr zahlen. Versicherte tragen dann den kompletten Schaden selber.

Haftung auch für die Kleinen

Was viele Hundehalter - mit und ohne Versicherungsvertrag - nicht wissen: Selbst durch kleinste Hunde droht ihnen Ungemach aufgrund eines enormen Haftungsrisikos. Gilt doch für Hundehalter das Prinzip der Gefährdungshaftung nach Paragraf 833 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

»Schlimmstenfalls haften Frauchen oder Herrchen bis in den Ruin für einen Schaden, den der Hund verursachte«, schreibt das Fachblatt »Versicherungsbote« zu dem Frankfurter Fall. Schon ein schlafender Dackel kann daher fatal sein, sobald das Tier einen Unfall mit hohem Sach- und Personenschaden auslöst. So wurde eine Hundehalterin durch das Oberlandesgericht Hamm zu 15 000 Euro Schmerzensgeld verurteilt, weil eine ältere Dame über den schlafenden Hund der Verurteilten fiel und sich verletzte. Tierliebe alleine ist eben viel zu wenig.

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