Yin und Yang in der Herbstküche

Fenchel, Ingwer und Süßholzwurzel schenken innere Wärme bei frischen Außentemperaturen

  • Elke Bunge
  • Lesedauer: 5 Min.

Im Mittelpunkt der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) steht, dass Gegensätze sich ergänzen und gegenseitig bedingen, zum Beispiel stark und schwach, männlich und weiblich, aber auch warm und kalt. Diese Einteilung nach Yin und Yang gilt auch für Lebensmittel, dabei steht Yin für Kälte und Yang für Wärme. Doch welche Wärme schenkenden Lebensmittel sollten besonders im Herbst und Winter konsumiert werden?

Nach der daoistischen Philosophie, deren Entstehung mehr als 2000 Jahre zurückliegt, wird das gesamte »Sein« mit einem dynamischen Zusammenspiel von Yin und Yang beschrieben. Yin und Yang sind sowohl entgegengesetzte als auch sich ergänzende körpereigene Kräfte. Das Prinzip dieser beiden Kräfte erklärt die TCM nun wie folgt: Yang ist das aktive, Impulse gebende Prinzip und wird als männlich bezeichnet. Es steht für Sonne, Tag, Licht, Bewegung und Wärme. Yin verkörpert die passive, nach innen gerichtete Energie und gilt als weiblich. Es steht für Nacht, Dunkelheit, Stille und Kälte. Sind beide Kräfte im Einklang, fließt unsere Lebensenergie, das sogenannte Qi (gesprochen Tschi) störungsfrei; der Mensch befindet sich in Harmonie. Dies, so die TCM, ist die Voraussetzung für einen gesunden Körper.

Je nach Jahreszeit können unterschiedliche Speisen diese Harmonie aufrechterhalten, andere sie ins Ungleichgewicht bringen, so die Australierin Janet Pardy. Sie studierte Akupunktur und Chinesische Medizin der Heilpflanzen am Melbourne College of Natural Science. Bis zu ihrem Ruhestand im letzten Jahr arbeitete sie an der Mornington-Chinese-Medicine-Klinik für Akupunktur und Chinesische Medizin.

Pardy erläutert die Unterteilung der Lebensmittel nach Yin und Yang beziehungsweise nach ihren thermischen Eigenschaften, also kalt und warm. Kalte Lebensmittel, so die Expertin, sollten bevorzugt im Frühling und Sommer, warme im Herbst und Winter konsumiert werden. »Dabei ist kalt und warm nicht unbedingt mit der Temperatur eines Lebensmittels gleichzusetzen«, so Pardy, »es geht vielmehr um die Wirkung auf unseren Körper. Gute Beispiele sind dafür diese beiden Varianten: Verzehrt man ein intensiv gewürztes thailändisches Curry, steigt in einem oft eine Hitzewelle auf, die nicht von der Temperatur des Essens stammt. Trinkt man hingegen einen heißen Pfefferminztee, wirkt er kühlend, auch wenn der Tee warm ist.«

In die Herbstküche gehören Gemüsesorten der Saison, am besten gedämpft oder als Suppe zubereitet. Dabei kommen Zutaten wie Kürbis, Kohl, Bohnen, Linsen, Zwiebeln, Ingwer, Meerrettich, Pfeffer, Knoblauch, Oregano oder Thymian zum Einsatz. Gesunde Öle, fettreiche Fische, Lamm, Wild, Huhn und Innereien sind ebenfalls Teil der herbstlichen Yang-Küche. Teezubereitungen aus Fenchel, Ingwer oder Süßholzwurzel schenken innere Wärme und gehören auch zur Herbst- und Winterküche. Als warme Nahrungsmittel gelten weiterhin fettreicher Käse sowie Schaf- oder Ziegenkäse. Heimisches Obst ist ebenfalls Bestandteil dieser Küche.

Als kalt gelten jedoch Zitrusfrüchte, diese gehören nach der chinesischen Lehre nicht in die Herbstküche. Janet Pardy sagt dazu: »Orangen und Zitronen sind energetisch kalt, deshalb sollte man sie im Winter am besten meiden. Es gibt viele Nahrungsmittel, die einen hohen Vitamin-C-Gehalt oder sogar viel mehr Vitamin C enthalten als Orangen und Zitronen. Grünkohl, Rosenkohl, Brokkoli, Blumenkohl und Petersilie sind wertvolle Vitamin-C-Träger. Bei der Zubereitung sollten diese Gemüse jedoch nicht zu lange gekocht werden. Um die Kälte eines Lebensmittels auszugleichen, kann der Speise Ingwer hinzugefügt werden.«

Aber nicht nur die Nahrungsmittel selbst haben einen Einfluss auf den menschlichen Organismus, auch die Art des Zubereitens ist von Bedeutung. Braten im Ofen, Grillen über offenem Feuer oder auch Räuchern verstärken das Yang und wärmen oder kräftigen unseren Körper in dieser Jahreszeit. Kochen in viel Wasser oder Blanchieren verstärkt hingegen das Yin der einzelnen Speisen.

Nahrungsmittel werden in der TCM jedoch nicht nur nach ihrer thermischen Wirkung eingeteilt, sondern auch den sogenannten fünf Elementen Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser zugeordnet. Diese entsprechen den fünf Geschmacksrichtungen sauer, bitter, süß, scharf und salzig. Jede Geschmacksrichtung gehört in der TCM zu einem bestimmten Organ. Der Herbst steht in der TCM für das Element Metall und die Organe Lunge und Dickdarm. »Jedes Gericht sollte die fünf Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer, bitter und scharf enthalten. Nur ein ausgewogenes Verhältnis aller Geschmacksrichtungen erhält unsere Gesundheit«, erklärt Pardy.

Wichtig ist aber auch die regelmäßige Einnahme von Mahlzeiten. Diese sollten in ruhiger und entspannter Atmosphäre stattfinden. Ein wärmendes Frühstück gilt als besonders guter Start in den Tag. Mittags empfiehlt Pardy die Einnahme der Hauptmahlzeit, das Abendessen sollte weiterhin nicht zu spät stattfinden. Mindestens zweimal am Tag empfiehlt sie die Mahlzeiten warm zuzubereiten. Zudem sollten Hunger- und Sättigungsgefühle genau beachtet werden - man sollte während der Mahlzeiten nicht übertreiben, aber auch nicht hungern. Dies gelingt gut, wenn man eine Mahlzeit beendet, sobald das Sättigungsgefühl einsetzt. Dann sollte bis zur nächsten Mahlzeit eine Pause von mindestens vier Stunden eingehalten werden.

»Diese klassische Ernährungslehre ist eine Diät, die in der heutigen Zeit mit ihrer enormen Informationsflut das Gesundheitsbewusstsein der Menschen stärkt. Als gesundheitsbewusste Person habe ich selbst festgestellt, dass es im Vergleich mit der aus Indien stammenden ayurvedischen Ernährungstherapie die beste Art der Ernährung für meinen Körper ist. Es ist eine sehr gute Diät, bei der man mehr über den eigenen Körper erfährt und herausfinden kann, welche Auswirkungen das Essen auf den Körper hat.« Folge man dem Konzept und möchte so auch bestimmte Krankheiten behandeln, ist es am besten, einen chinesischen Ernährungstherapeuten aufzusuchen, rät die Australierin.

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