Antikoloniales Gremium
Was bedeutet eigentlich Dekolonisierung? 19 Schwarzen Frauen beantworteten diese Frage am Sonntag - dem 136. Jahrestag der Berliner Afrikakonferenz - ganz unterschiedlich. Für die einen war es Bewegungsfreiheit für alle, ein Ende des Sterbens im Mittelmeer und das Ende neokolonialer Ausbeutung Für die anderen ein Ende von Racial Profiling. Ein Element der Dekolonisierung könnte aber auch schon dieses Zusammenkommen der Frauen sein, im Rahmen der - virtuellen - Premiere der »Dekoloniale. Erinnerungskultur in der Stadt«.
Und damit ist auch ein entscheidender Faktor des Projekts gesetzt, das von Berlin Postkolonial, Each One Teach One - EOTO, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland - ISD-Bund und der Stiftung Stadtmuseum Berlin entwickelt wurde: Der Perspektivwechsel. Es geht nicht darum, kolonial belastete Orte »auszulöschen«, das ist ohnehin nicht möglich. Sondern koloniale Stadtgeschichte aus Sicht Schwarzer Menschen zu erzählen und sichtbarer zu machen.
Ausgangspunkt dafür ist die Berliner Wilhelmstraße, zwischen den ehemaligen Standorten der Reichskanzlei und des Auswärtigen Amtes, den Schauplätzen der Berliner Afrikakonferenz. Die vor Ort anwesende Projektleiterin für Dekoloniale In[ter]ventionen, Nadja Ofuatey-Alazard, erklärt, dass diese Aneignung von Raum, Zeit und Dramaturgie der Konferenz ganz bewusst gewählt ist. Während sich am 15. November 1884 in der Berliner Reichskanzlei in der Wilhelmstraße 19 weiße Männer über die Regeln für die koloniale Aufteilung und Ausbeutung des afrikanischen Kontinents austauschten, kommen nun - 136 Jahre später - 19 Frauen afrikanischer Herkunft zusammen: Als antikoloniales Gremium.
Wenn derzeit auch überwiegend virtuell soll der historische Ort zum Ausgangspunkt werden für eine neue, kollaborative und dezentrale Auseinandersetzung mit dem Deutschen Kolonialismus. Doch schon die virtuelle Vorstellungsrunde, moderiert von Tarik Tesfu, macht deutlich, dass Dekolonisierung keine statische Angelegenheit ist. Denn die Dekoloniale sieht sich einer kritischen Haltung und auch der politischen Störung verpflichtet.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.