Neuer Referenzzins ein Fass ohne Boden

Zinszusatzreserve

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Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat dem Bund der Versicherten den neuen Referenzzins der Zinszusatzreserve (ZZR) mitgeteilt. Er sinkt von jetzt 1,92 Prozent auf 1,73 Prozent. Das ist die stärkste Senkung seit drei Jahren und lässt Schlimmes befürchten. Denn damit ist für 2021 eine stärkere Erhöhung der ZZR zu erwarten als in den letzten beiden Jahren.

Was ist die ZZR?
Seit 2011 müssen Versicherer eine Zinszusatzreserve (ZZR) bilden, um dafür zu sorgen, trotz niedriger erwirtschafteter Zinsen die garantierten Leistungen darstellen zu können. In der Zinszusatzreserve müssen daher so viele Gelder liegen, dass die fehlende Verzinsung ausgeglichen werden kann, wenn nur noch ein niedrigerer Zins erwirtschaftet wird.

Beispiel: Geht man davon aus, dass eigentlich nur 1,9 Prozent erwirtschaftet werden, der Rechnungszins für einen Vertrag aber vier Prozent ist, dann muss so viel Geld in der ZZR zurückgelegt werden, um die ausstehende Differenz von 2,1 Prozent für die ausstehenden Vertragsjahre ausfinanzieren zu können. Daher gibt es jedes Jahr einen neuen Referenzzinssatz, der für die Berechnung der ZZR herangezogen wird.

Ergo: Je niedriger der Referenzzins ist, desto mehr Geld muss also zusätzlich in die Zinszusatzreserve gesteckt werden. BdV/nd

Schon jetzt jedoch können viele Lebensversicherer die ZZR kaum noch schultern. »Wir erwarten branchenweit eine Erhöhung der ZZR von etwa 80 auf knapp 100 Milliarden Euro. Wenn überhaupt, werden einige Versicherer die zusätzliche Belastung nur durch das Verscherbeln des Tafelsilbers stemmen können«, befürchtet Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV. »Ohnehin angezählten Versicherern kann die unerwartet hohe zusätzliche Belastung die Solvenz kosten«, so Kleinlein.

Vom neuen Referenzzins sind damit erstmals auch solche Tarife betroffen, die mit einem Rechnungszins von 1,75 Prozent kalkuliert sind. Dieser Zins galt bis 2015. Die Versicherer müssen nun auch für Verträge zusätzliche Reserven bilden, die zwischen 2012 und 2014 abgeschlossen wurden.

»Die Strategie, mittels neuartiger Tarife der Zinsfalle zu entgehen, ist damit gescheitert«, so der BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Auch für viele Verträge der sogenannten »Neuen Klassik« müssen Versicherer nun Gelder zurücklegen.

Die Probleme sind hausgemacht, denn die Versicherer haben sich in den 1980er und 1990er Jahren mit zu hohen Garantien massiv verkalkuliert. Noch vor zwei Jahren konnte die Politik der Branche mit einer Verordnungsänderung helfen. Doch für politische Schützenhilfe ist kein Spielraum mehr. »Wir reden bei der ZZR mittlerweile von einem Reservierungsbedarf von heute knapp 100 Milliarden, der bis 2025 auf etwa 150 Milliarden steigt. Das ist ein Fass ohne Boden«, warnt Kleinlein.

Dennoch befürchtet der BdV, dass im Wahljahr Lebensversicherer durch Steuergelder gestützt werden - milliardenschwere Wahlgeschenke, die verpulvert wären.

Für den BdV zeigt sich ein weiteres Mal: Lebensversicherungen sind zur Altersvorsorge ungeeignet. Verbraucher sollten keine kapitalbildenden Lebensversicherungen abschließen. Versicherte mit Altverträgen sollten sorgfältig prüfen, ob eine Weiterführung, Beitragsfreistellung, Verkauf oder Kündigung sinnvoll sein kann. Dabei hilft der Lebens- und Rentenversicherungsrechner des BdV. BdV/nd

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