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Um den heißen Brei
Ulrike Henning hält nichts von Alibi-Bürgerdialogen
Bundeskanzlerin Merkel absolvierte am Donnerstag ihren zweiten Bürgerdialog in einer Reihe von vier geplanten Online-Treffen. Es ging um Pflege in vielerlei Beziehung, auch um Pflege in Zeiten einer Pandemie. Ja, die Kanzlerin hörte zu, ja, sie hatte Vorschläge zur Lösung von Problemen, will wohl auch selbst dazu beitragen: Da ging es um WLAN für eine Seniorin im Pflegeheim oder darum, dass ein Anspruch auf ein freiwilliges soziales Jahr einige Nachwuchsprobleme lösen könnte.
Wenn Merkel sich bei solchen Gelegenheiten zugewandt zeigt, mag das manches Herz erwärmen, zumal im Lockdown-November, vor »schwierigen Wintermonaten«. Aber einmal abgesehen von der trügerischen Bürgernähe mit ausgewählten Gesprächspartnern - ist eine solche audienzähnliche Veranstaltung das, was eine Regierungschefin unbedingt leisten muss? Oder ist es nicht eher ihr Job, für politischen Fortschritt in einem Feld zu sorgen, dessen Probleme seit Jahren auf dem Tisch liegen?
Durchhalten, Rücksicht nehmen und auf einen Impfstoff warten - das reicht nicht aus als Regierungsprogramm. Auch nicht wohldosiert verteilte Coronaprämien. Wenn eine Branche unter anderem extreme Personalprobleme hat wie die Pflege, dann sind endlich die Bedingungen zu ändern, die weiter nur Mindestlöhne für einen Großteil der Beschäftigten bringen. Die Finanzierung der Pflegeversicherung muss schleunigst neu geregelt werden. Heldengesäusel und gleichzeitig insgeheim weiter auf die Opferbereitschaft der Pflegenden in Heimen, Kliniken und Familien setzen und sie sogar noch damit erpressen: Das sollte endlich vorbei sein, nicht nur auf Regierungsebene.
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