Kein Recht auf Schutz vor Mord

Oberverwaltungsgericht weist Klage gegen Bundesregierung ab, Einsätze der USA über Ramstein zu prüfen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lag die ganze Hoffnung der drei jemenitischen Männer, die die Bundesrepublik zwingen wollten, das illegalen Morden der USA in ihrem Heimatland nicht länger stillschweigend zu dulden. »Ich erwarte und erhoffe mir, dass die deutsche Bevölkerung mit uns fühlt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Deutschen die Rolle von Ramstein im US-Drohnenprogramm gutheißen.« So hat der 62-jährige Faisal bin Ali Jaber vor der Entscheidung des Leipziger Gerichts am Mittwochabend immer wieder über Medien an die Öffentlichkeit in Deutschland appelliert. Sein und das Begehren seiner Mitkläger richtet sich aber in erster Linie an die Bundesregierung, nicht länger stillschweigend den mörderischen Einsatz von Drohnen der USA in Ländern des Mittleren und Nahen Ostens zu dulden.

Per Gerichtsentscheid wollten die Drei, unterstützt vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), die Bundesregierung veranlassen, auf die USA im Sinne des Völkerrechts Einfluss zu nehmen. Von Florida aus steuern US-Piloten die Drohnen und schließlich deren Raketen ins Ziel - in asiatischen und afrikanischen Ländern. Immer wieder werden dabei nicht nur die beabsichtigten Ziele, angebliche oder tatsächliche Terroristen, sondern auch unbeteiligte Zivilisten getroffen. Ohne die Relaisstation auf der US-Airbase im rheinland-pfälzischen Ramstein könnten die Drohnen ihre Signale aus Florida nicht empfangen. Bei einer Hochzeitsfeier, die zum Ziel eines solchen Drohneneinsatzes geworden war, hatte Faisal bin Ali Jaber im Jahr 2012 zwei Familienmitglieder verloren, seinen eigenen Angaben zufolge einen Neffen und einen Schwager, die Zivilisten gewesen seien.

Die USA zur Beendigung der Einsätze zu bewegen und die Bundesregierung zu veranlassen, diese wegen des Missbrauchs deutschen Territoriums zu untersagen, darauf zielte die Klage. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte den Klägern zuvor recht gegeben und geurteilt, Deutschland müsse prüfen, ob die US-Drohnenangriffe über Ramstein gegen das Völkerrecht verstoßen. Eine entsprechende Zusicherung der USA reiche nicht aus. Das Bundesverwaltungsgericht entschied am Mittwoch anders. Es urteilte, dass die Bundesregierung durchaus nicht zu wenig tue, um sich zu vergewissern, dass die Einsätze über Ramstein völkerrechtsgemäß sind. Zwar trage Deutschland eine grundrechtliche Schutzpflicht auch für Ausländer im Ausland, sofern es einen einen engen Bezug zum deutschen Staatsgebiet gebe. Doch müssten völkerrechtswidrige Handlungen konkret zu erwarten sein, um aktiv zu werden. Es reiche nicht aus, dass Ramstein technisch für das US-Drohnenprogramm bedeutsam sei, sondern es müssten konkrete Entscheidungen auf deutschem Boden stattfinden. Den Vertrag für die Nutzung der Air Base zu kündigen, müsse die Regierung wegen der massiven außenpolitischen Nachteile nicht in Betracht ziehen.

Untätig ist die Bundesregierung nicht. Erst in dieser Woche hatte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) den Bundestag unterrichtet, dass ihr Ministerium eine Entscheidungsvorlage über die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr über 25 Millionen Euro dem Finanzministerium zugeleitet habe. Nach der Freigabe wolle man die Zustimmung auch des Bundestages erwirken. Bisher unterhält die Bundeswehr geleaste Drohnen ohne eigene Bewaffnung, zwei Drohnenprojekte mit weiteren EU-Ländern befinden sich in der Entwicklung. Linke und Grüne immerhin haben ihren Widerstand angekündigt, aus unterschiedlichen Gründen. Gegenüber AFP meinte die Grünen-Abrüstungsexpertin Katja Keul, sie halte die Gefahren durch bewaffnete Drohnen weiterhin für größer als ihren Nutzen. Die Linke kündigte kompromisslosen Widerstand an. Die Obfrau im Außenpolitischen Ausschuss des Bundestages Devim Dagdelen wies auf die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hin, die die Schließung der US-Stützpunkte in Deutschland fordere - »im Sinn der Friedenspflicht des Grundgesetzes«. Und ihr Fraktionskollege Niema Movassat: »Die Bundesregierung darf sich nicht weiter mit dem Argument, sie wisse nicht, was die US-Regierung in Ramstein macht, ihrer Verantwortung für Tötungen von Menschen durch Drohnen entziehen.« Unterdessen gehen die Planungen weiter. Die Nato plant die Gründung eines Weltraumzentrums in Ramstein.

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