Proteste gegen Niedrigpreise

Landwirte blockieren mit Traktoren zentrale Discounter-Lager

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Plötzlich rollen sie in der Nacht zu Dienstag vor das Logistikzentrum des Discounters Lidl im Rostocker Stadtteil Hinrichsdorf: 25 Traktoren und sechs Lastwagen, am Steuer Landwirte aus Mecklenburg-Vorpommern. Mit der Blockade versperren sie Lieferanten den Weg zum Lager, blockieren auch einen Lkw, der das Betriebsgelände verlassen will. Mit der Aktion, nur eine von mehreren im Bundesgebiet, wollen die Bauern ihren Unmut über die Preisgestaltung der großen Handelsketten zum Ausdruck bringen. Zu billig verkaufen Milch und Fleisch, zu wenig von den Einnahmen kommt bei Landwirten an. Das führe den bäuerlichen Berufsstand in den Ruin, sagen die Protestierenden.

Diese Befürchtung wurde auch auf Treckerprotesten in Schleswig-Holsteins Hauptstadt Kiel vor dem Rewe-Logistikzentrum geäußert und ebenso auf der wohl größten Demo gegen Niedrigpreise am Sonntagabend: In Cloppenburg, einer gut 70 Kilometer südwestlich von Bremen gelegenen Kreisstadt, blockierten etwa 400 Landwirte mit 300 Treckern das dortige Lidl-Zentrallager. Der Protest, hieß es, richte sich gegen alle Billiganbieter. In der niedersächsischen Stadt errichteten die Bauern zudem ein Protestcamp. Auch am Dienstagmorgen standen laut Polizei noch 100 Traktoren vor dem Cloppenburger Zentrallager, im benachbarten Emstek fand eine Aktion mit 20 Schleppern bei einem Zulieferer statt. Eine weitere gab es vor einem Zentrallager in Rade im Landkreis Harburg). Vor Supermärkten wurden vielerorts Stroh- und Silageballen vor die Eingänge gestellt, darauf beleuchtete Holzkreuze oder Galgen, den Druck symbolisierend, unter dem die Erzeuger stehen.

Auslöser der Proteste war ein Brief der Manager der Einzelhandelsriesen Edeka, Rewe, Aldi und Schwarz-Gruppe – zu letzterer gehören Lidl und Kaufland – an Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie reagierten damit auf Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) bei der Vorstellung des Entwurfs eines Gesetzes, mit dem die Position der Bauern gegenüber Handelskonzernen gestärkt werden soll (siehe »nd« vom 19.11.). Klöckner hatte bei der Vorstellung der Novelle von einem »massiven Marktungleichgewicht« zuungunsten der Bauern gesprochen und scharfe Kritik an Praktiken des Handels geäußert. Die Discounterchefs beklagten einen »massiven Angriff auf die Reputation« ihrer Unternehmen.

Die Bauern brachten nun ihrerseits ihre Empörung über das Gebaren der Konzerne zum Ausdruck, die 85 Prozent des Lebensmittelmarktes beherrschen. Zu den Protesten hatte die Bauernbewegung Land schafft Verbindung (LsV) aufgerufen. Deren Sprecher für Niedersachsen, Anthony Lee, sagte am Dienstag, die Blockade in Cloppenburg solle aufrechterhalten werden. LsV verlangt, dass Lidl- und Kaufland-Chef Klaus Gehrig zu den Protestierenden nach Cloppenburg kommt. Gesprächsbereitschaft habe Lidl mittlerweile signalisiert, heißt es, Lee sieht darin aber nur »leere Versprechungen«.

Bauernprotest gab es am Montag auch in Dresden. Dort demonstrierten etwa 1000 Landwirte mit Traktorenfahrten durch Sachsens Hauptstadt gegen die neue, strengere Düngemittelverordnung. Ihr Ziel soll es sein, so die verantwortlichen Stellen des Bundes, das Grundwasser vor einer zu hohen Nitratbelastung zu schützen. Seitens der Landwirtschaft werden die Messwerte bezweifelt, die dem neuen Reglement zugrunde liegen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal