Eine Unermüdliche

Lidia Menapace war Partisanin und blieb lebenslang kämpferisch

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

Ihr ganzes Leben lang war sie unbequem und ging nie den Weg des geringsten Widerstandes. Und das immer, auch im hohen Alter noch, mit einem spitzbübischen Lächeln im Gesicht. Am Montag verstarb Lidia Menapace im Alter von 96 Jahren an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung in Bozen. Als junges Mädchen schloss sie sich den Partisanen im Ossola-Tal in Norditalien an, überbrachte Botschaften, und war Verbindungsglied zwischen den einzelnen Gruppen.

Als sie erkrankte, erklärte sie: »Der Befreiungskampf hat mich gelehrt, mit der Angst zu leben und sie zu überwinden. Jetzt müssen wir dieses Virus besiegen.« Lidia Menapace war unermüdlich, wenn es darum ging, ihre Ideale zu verteidigen. Sie ging in die Schulen, wo sie erzählte, was sie im Widerstand erlebt hatte, wie die Bomben fielen, sie auf dem Fahrrad vor den Faschisten flüchtete, verschlüsselte Botschaften auswendig lernte. Ihr Buch »Ich, Partisanin« wurde zur Pflichtlektüre in vielen Schulen. Aber Menapace lebte nicht nur in der Vergangenheit: Es gab kaum einen Kampf für mehr Gerechtigkeit, die Umwelt oder den Frieden, bei dem sie nicht mitmischte. Von ihr erzählte man sich lachend, dass sie es schaffte, auch bei zwei Versammlungen gleichzeitig anwesend zu sein. Ihr wirkliches Zuhause seien die Züge gewesen, mit denen sie permanent von einem Termin zum anderen kreuz und quer durch Italien fuhr.

1964 wurde sie in den Reihen der christdemokratischen Partei als erste Frau in den Stadtrat von Bozen gewählt, wo sie für die Bereiche Soziales und Gesundheit zuständig wurde. In jenen Jahren arbeitete sie als Assistentin an der Katholischen Universität - aber 1968 wurde ihr Vertrag nicht verlängert, weil sie einen Appell mit dem Titel »Für eine marxistische Entscheidung« veröffentlicht hatte.

Sie verließ die Christdemokraten und näherte sich der der Kommunistischen Partei (PCI) an, wo sie sich aber sofort der Gruppe »Manifesto« anschloss, die aus der Partei ausgeschlossen wurde. Sie gründete die Bewegung »Christen für den Sozialismus« und wurde einer der führenden Köpfe des Komitees für die Rechte der Prostituierten. Später trat sie in die Partei Rifondazione Comunista ein, für die sie 2006 in den Senat gewählt wurde. Dort sollte sie, als Pazifistin, die Leitung des Verteidigungsausschusses übernehmen; doch sie hielt mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg und erklärte, dass sie die Vorstellungen der akrobatischen Staffel der Luftwaffe für »unnütz und umweltschädigend« halte. Durch eine Nacht- und Nebelaktion wurde ihre Wahl verhindert. Später leitete sie dann den Untersuchungsausschuss über den Einsatz von abgereichertem Uran im Balkan-Krieg. Lidia Menapace wurde noch zwei weitere Male von Rifondazione für den Senat aufgestellt, aber die Partei schaffte den Einzug nicht. Ihre letzte Wahlkampagne bestritt sie 2018 mit 94 Jahren!

Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella erklärte nach ihrem Tod: »Die Werte, für die sich Lidia Menapace ihre ganzes Leben einsetzte - Antifaschismus, Freiheit, Frieden und Gleichheit - bilden die Grundlage der italienischen Verfassung und stellen eine Lehre für die jungen Generationen dar.« Die Trauer über ihren Tod geht quer durch fast alle Schichten der italienischen Gesellschaft. Der Vorsitzende der Demokratischen Partei Nicola Zingaretti erklärte: »Ihr Kampf war als Mensch und als Politikerin beispielhaft. Uns wird ihr Wille fehlen, die Welt zu verändern und zu verbessern.« Und Mauriyio Acerbo, Sekretär von Rifondazione Comunista schrieb: »Sie war ein Beispiel von Freude, Neugierde, kritischem Geist, intelligentem und leidenschaftlichen Einsatz. Ihr ganzes Leben lang war sie eine Partisanin im Kampf gegen jede Form der Unterdrückung. Danke Lidia für all das, was Du uns beigebracht hast.«

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