Gleich volle Lohntüten
Europäischer Gerichtshof bestätigt EU-Richtlinie gegen Sozialdumping
Polen und Ungarn sind mit ihrem Anliegen gescheitert, die EU-Entsenderichtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu kippen. Die Richter*innen in Luxemburg wiesen die Klage der beiden Länder am Dienstag in vollem Umfang ab. Das Gericht folgte damit der Empfehlung des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona vom Mai.
Die Richtlinie mit dem Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort« war 2018 geändert worden, um den Schutz der entsandten Arbeitnehmer*innen vor Lohn- und Sozialdumping auszuweiten. Zentraler Punkt der geänderten Richtlinie war das Prinzip, dass EU-Bürger*innen, die vorübergehend in einem anderen EU-Land arbeiten, dort ebenso entlohnt werden müssen wie Einheimische. Sie dürfen nicht mit dem Mindestlohn abgespeist werden, wenn für ihre Kolleg*innen bessere Löhne vereinbart sind.
Rechtliche Sonderregeln für Entsendungen wurden auf 12 Monate befristet, in Ausnahmefällen auf 18 Monate. Das heißt: Die Arbeitnehmer*innen dürfen zwar länger entsandt werden - doch gelten dann alle Bedingungen des Aufnahmelandes, sofern diese besser sind als in der Heimat. Zudem dürfen Kosten für Reisen, Unterbringung und Verpflegung nicht mit dem Lohn entsandter Kräfte verrechnet werden.
Ungarn und Polen hatten unter anderem einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit in der EU gerügt. Sie kritisierten Wettbewerbsnachteile für ihre Unternehmen durch die Reform. Der EuGH sah das anders. Die EU-Gesetzgeber hätten die Richtlinie ändern dürfen, um sicherzustellen, dass der freie Dienstleistungsverkehr unter gleichen Wettbewerbsbedingungen stattfinde, heißt es in der Urteilsbegründung.
Der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Pascal Meiser, sprach von einem »wichtigen Signal für die Rechte entsandter Beschäftigter und ein soziales Europa«. Er forderte die Bundesregierung auf, die Spielräume des Europarechts auszuschöpfen und das kurz vor der Sommerpause im Windschatten der Coronakrise verabschiedete Arbeitnehmerentsendegesetz schnellstmöglich nachzubessern.
Auch Gewerkschaften begrüßten die Entscheidung. »Damit sind Polen und Ungarn endgültig mit ihrem Versuch gescheitert, Verbesserungen für die Beschäftigten zu verhindern«, sagte Anne Karrass vom EU-Verbindungsbüro von Verdi gegenüber »nd«. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel nannte das Urteil ein »deutliches politisches Signal«.
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