- Kommentare
- Landfriedensbruch
Mitgegangen, mitgefangen
Sebastian Bähr zu Reformplänen zum Landfriedensbruch
Bei den aktuellen Debatten auf der Innenministerkonferenz sticht neben Sauereien wie neuen Syrien-Abschiebungen ein Vorschlag von Herbert Reul heraus: Der NRW-Innenminister hat eine Verschärfung des Landfriedensbruch-Paragrafen gefordert. Die Polizei soll demnach künftig auch gegen Demonstranten vorgehen können, die in der Nähe von vermeintlichen »Gewalttätern« stehen und diese laut Reul so »schützen«. Der Politiker verweist zur Begründung auf jüngste Proteste der Querdenken- sowie der Klimabewegung . Die Gefahr des Vorhabens kann nicht genug betont werden.
Reuls Vorschlag wäre ein massiver Angriff auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Nach dem Motto »mitgegangen - mitgefangen« wäre bei Demonstrationen eine Kollektivschuld eingeführt, wo man stets für Handlungen anderer zur Verantwortung gezogen werden könnte. Bisher müssen Beamte, theoretisch, die Unfriedlichen von den Friedlichen trennen, um letzteren ihr Grundrecht zu ermöglichen. Bei einer Verschärfung wären Menschen bei jeder Demonstration verunsichert und und gingen dadurch seltener auf die Straßen. Offenbar versucht Reul die gerade begonnenen Mammutprozesse gegen G20-Protestierer in Hamburg zu flankieren. Justiz und Polizei der Hansestadt versuchen seit den Gipfeltagen 2017 ein entsprechendes Rechtsverständnis durchzusetzen.
Dass Reul jetzt den Vorschlag bringt, hat wohl noch eine weitere Ursache: Aufgrund der Pandemie gibt es nicht nur seit Monaten massive staatliche Eingriffe in Grundrechte, sondern auch eine große Unterstützung der meisten Maßnahmen durch die Bevölkerung. Dazu existiert eine bei der Mehrheit recht unbeliebte Querdenken-Bewegung, die gut als Vorwand für Verschärfungen genutzt werden kann. Treffen wird es zum Schluss jedoch auch die progressiven Bewegungen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.