Immer noch zu wenig

Berlin hat 2020 eine halbe Milliarde Euro in die Schulbauoffensive gesteckt, die Fortschritte sind überschaubar

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch bis Mittwoch läuft auf den Social-Media-Kanälen der Senatsbildungsverwaltung eine Kampagne mit dem wenig eingängigen Titel »BSOzember«. Schon den kompletten Dezember über schaltet das Haus von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) jeden Tag ein neues Imagefilmchen frei, das die Fortschritte der Berliner Schulbauoffensive - kurz: BSO - dokumentieren soll. An diesem Montag feiert man den Erweiterungsbau der Konrad-Zuse-Schule in Pankow, am Sonntag freute man sich über die Schulhofsanierung der Grundschule an der Bäke in Steglitz, am Samstag über die Baumaßnahmen in der Pettenkofer-Grundschule in Friedrichshain. Die Botschaft ist klar: Die 2016 gestartete Schulbauoffensive läuft auf Hochtouren.

»Trotz der aktuell schwierigen Situation kam es glücklicherweise zu keinen coronabedingten Verzögerungen der Baumaßnahmen. Wir sind insgesamt zufrieden«, sagt dann auch Scheeres’ Sprecherin Mirjam Kaplow zu »nd«. So seien im Rahmen der Schulbauoffensive bislang insgesamt 19 292 Schulplätze geschaffen worden. 2021 werde die Bautätigkeit noch »weiter an Fahrt aufnehmen«, so Kaplow. »Bis zum Sommer kommenden Jahres sollen rund 31 400 neue Schulplätze entstanden sein. Damit sind wir bereits ein großes Stück vorangekommen.«

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Das sieht der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise, etwas nüchterner. »Es ist zwar nicht so, dass in Sachen Schulbau nichts geschieht. Aber insgesamt gibt es noch wahnsinnig viel zu tun«, so Heise zu »nd«. Das zeige sich schon bei den sogenannten Großschadenfällen, also Schulen mit erheblichem Sanierungsbedarf. »Viele dieser Maßnahmen sind in diesem Jahr auf 2024 und später verschoben worden, weil die Finanzierung noch nicht geklärt ist.«

Dabei ist auf den ersten Blick sehr viel Geld im Topf. Mit rund 5,5 Milliarden Euro ist die Schulbauoffensive das größte Investitionsvorhaben von Rot-Rot-Grün. Seit dem Start des Programms hat Berlin davon bereits knapp 2,5 Milliarden Euro ausgegeben, allein im laufenden Jahr rund eine halbe Milliarde Euro. So flossen von Januar bis einschließlich November 315 Millionen Euro in den Neubau und die Sanierung von Schulen, weitere 168 Millionen Euro in Maßnahmen zum Bauunterhalt. Endgültige Zahlen über die in diesem Jahr abgerufenen Mittel werden erst »im Laufe des Januars 2021« vorliegen, so Eva Henkel, Sprecherin von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Erfahrungsgemäß gebe es aber im Dezember »noch einmal einen deutlichen Abfluss«. Henkel rechnet damit, dass sich die Gesamtausgaben ungefähr im Rahmen des Vorjahres bewegen, als der Senat ebenfalls etwas mehr als eine halbe Milliarde Euro in den Schulbau investiert hatte.

Dass bei alldem trotzdem noch viel Luft nach oben ist, zeigt sich nach Ansicht des Landeselternsprecher Norman Heise nicht nur bei den Großschadenfällen, sondern auch beim Schulneubau. Bis 2026 sollen eigentlich mehr als 60 Schulen neu errichtet werden, um den stark steigenden Schülerzahlen gerecht zu werden. Bislang fertiggestellt sind nach Auskunft der Bildungsverwaltung aber erst vier. »2016 hieß es, wir brauchen zehn Jahre. Jetzt ist 2020 vorbei und müssen feststellen, da ist noch nicht so viel passiert«, kritisiert Heise. Auch mit den 68 bisher übergebenen Modularen Ergänzungsbauten ist der Elternvertreter nur bedingt glücklich. Bei diesen Bauten handelt es sich um ein seriell vorfabriziertes Grundmodul, das in verhältnismäßig kurzer Bauzeit »in die Welt gestellt wird«, wie Heise es formuliert. »Die bringen zwar eine punktuelle Entlastung. Leider sind das aber klassische Flurschulen.« Innovative Schulbautypen seien in Berlin noch Zukunftsmusik.

Ein in anderer Hinsicht wenig schmeichelhaftes Zeugnis hinsichtlich der Bauoffensive hatte jüngst auch der Berliner Rechnungshof dem Senat ausgestellt. Das gesamte Programm, heißt es im aktuellen Jahresbericht des Rechnungshofs, sei von der Finanzverwaltung »nicht ordnungsgemäß und wirtschaftlich vorbereitet« worden. Selbst die Bedarfsermittlung bekam die Note »unzureichend«. Inzwischen sei daher davon auszugehen, dass die Schulbaumaßnahmen am Ende des Tages mit über elf Milliarden Euro zu Buche schlagen wird, mehr als doppelt so viel wie ursprünglich geplant.

Die Finanzverwaltung verweist unterdessen auf die generell gestiegenen Baukosten und seit 2016 vorgenommene Anpassungen beim Flächen- und Ausstattungsbedarf. »Aber wir nehmen die Kritik selbstverständlich sehr ernst und haben darauf umfänglich reagiert«, so Sprecherin Eva Henkel zu »nd«.

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