Lyrik im Lockdown

Es geht um Liebe: Die neue Ausgabe von »Das Gedicht«

  • Axel Klingenberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Liebe in den Zeiten von Covid19 ist eigentlich genau so, wie die Liebe immer schon war. Sie kommt. Sie geht. Und manchmal tut sie weh. Davon legen 184 Poetinnen und Poeten in 235 Gedichten auf über 200 Seiten der neuen Ausgabe des Buchmagazins »Das Gedicht« Zeugnis ab. »Die Wiederentdeckung der Liebe« lautet das Thema.

Darüber schreiben unter anderem Alex Dreppec und Xóchil A. Schütz, Jan Wagner und Tanja Dückers, Kerstin Hensel und Paul Maar, Sujata Bhatt und Matthias Politycki. Dazu kommen natürlich noch viele andere, unbekanntere Dichterinnen und Dichter, was schon damit zusammenhängen dürfte, dass Leser- und Autorenstamm doch einige Überschneidungen haben dürften. Aber das spricht gar nicht gegen »Das Gedicht«, denn der Herausgeber Anton G. Leitner hat ein feines Händchen für die Auswahl. Ein überzeugender Querschnitt durch die verschiedenen Gattungen und Stile. Ob Prosagedicht oder avantgardistisches Sprachspiel, ob Sonett oder Slam Poetry - Leitner ist klug genug, sich nicht festlegen zu lassen.

Es gibt Mundart-Lyrik (zum Beispiel aus dem Badischen, dem Berlinerischen und dem Bodenseealemannischen) und es gibt Gedichte aus anderen Sprachen wie dem Englischen oder dem Niederländischen, mit Übersetzung natürlich. Liebe ist bekanntlich universell. Deshalb gibt es auch Gedichte über die Zuneigung zwischen älteren Menschen und zwischen Menschen mit Behinderungen. Auch homosexuelle Liebe wird thematisiert: »Sie zünden eine Kerze an, / schalten in die Tagesthemen, / vor dem zweiten Beitrag, aber, / fallen einem schon die Augen zu. / Da nimmt der andre ihm die Brille ab, / breitet ihm die Polyesterdecke über seinen Bauch, / küsst ihn auf die Stirn und flüstert: / ich dich auch.« (aus: »Robinson und Freitag« von Wolfgang Stock).

Das klingt manchmal ironisch und komisch, manchmal romantisch und tragisch. Und gelegentlich lakonisch und platonisch. Besonders die traurigen Gedichte berühren natürlich. Manchmal reichen einzelne Sätze: »ich werde uns vermissen.« (aus: »Dein Bart« von Sibylle Hoffmann). Auch die Corona-Pandemie ist immer wieder Thema, manchmal ganz nebenbei, manchmal aber auch ausdrücklich. Von »Ausgangssperren« oder gar einer »pandemische(n) Stille« ist gelegentlich die Rede. »die gelegenheit beim schopf« von Manfred Chobot ist ein guter Anspieltipp für ein besonders gelungenes Gedicht sein. Jedenfalls dann, wenn man die Nöte von Eltern kennt, die durch die ganze Kinderbetreuerei nicht mehr zum Sex kommen und daher im Abstellraum ihrem ganz eigenen Versteckspiel nachgehen.

Der einzige Kritikpunkt sind die sogenannten Kindergedichte, denn sie unterscheiden sich oft nur in Nuancen von den Gedichten für Erwachsene. Oft ist unklar, warum das eine für Kinder sein soll und das andere nicht. Das hier ist für Kinder, es heißt »Dann können wir Spaghetti kochen«, geschriebenvon Sigrid Eyb-Green: »Mein Opa Luis nennt mich Fritz, / obwohl ich Emil heiße. Doch egal, / wir lachen beide laut, als wärs ein Witz. / Er sagt: ›Ich merk es mir beim nächsten Mal.‹«

»Das Gedicht«, Nr. 28, Anton G. Leitner Verlag, 210 S., 15 €.

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