Reporter ohne Grenzen: USA haben bei Assange wenig Chancen auf Erfolg

Gericht entscheidet am Mittwoch über Freilassung des Wikileaks-Gründer auf Kaution

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London. Nach der Entscheidung eines Londoner Gerichts gegen eine Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange in die USA sieht die Organisation Reporter ohne Grenzen keine großen Erfolgschancen mehr für die US-Justiz. »Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Berufung der USA Erfolg haben wird«, sagte die Londoner Vertreterin der Organisation, Rebecca Vincent, der Deutschen Presse-Agentur. »Ich sehe nicht, welche neuen Argumente die Anwälte vor Gericht einbringen könnten.«

Das Londoner Strafgericht Old Bailey hatte am Montag eine Auslieferung Assanges an die USA wegen gesundheitlicher Bedenken blockiert. Die Anwälte der US-Seite hatten bereits angekündigt, in Berufung gehen zu wollen. Am Mittwoch sollte in London darüber entschieden werden, ob der 49-Jährige auf Kaution freigelassen wird.

Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Er habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat.

Es gebe gute Gründe dafür, dass das Londoner Gericht dem Antrag auf Freilassung stattgeben werde, erklärte Rebecca Vincent. Die Richterin hatte die abgelehnte Auslieferung damit begründet, dass die gesundheitlichen Risiken für Assange zu groß seien und in der drohenden Isolationshaft in den USA akute Suizidgefahr bestehe. Dies sei auch im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, in dem Assange seit rund eineinhalb Jahren sitzt, der Fall, so Vincent. »Das könnte für eine Freilassung sprechen.« Anderseits habe die Richterin ähnliche Anträge zuvor abgelehnt.

Nachdem die britische Justiz die Auslieferung von Assange an die USA abgelehnt hat, entscheidet dieselbe Richterin am Mittwoch nun über die Freilassung des Wikileaks-Gründers. Die Anwälte des 49-Jährigen haben beantragt, den gebürtigen Australier gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Richterin Vanessa Baraitser hatte den US-Antrag aus humanitären Gründen abgelehnt, zum Unverständnis von Assanges Unterstützern den Fall aber nicht als politisch motiviert eingestuft.

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, warnte vor einem Präzedenzfall, »der investigativen Journalisten den Schutz der Pressefreiheit verweigert und den Weg für ihre Strafverfolgung unter dem Vorwurf der Spionage ebnet«. Das Urteil vom Montag sei gefährlich. Es gehe nur noch um die Frage, ob Assange fit genug sei, um die Haftbedingungen in den USA zu erdulden, sagte Melzer einer Mitteilung zufolge.

Hoffnung äußerte die Reporter ohne Grenzen-Vertreterin außerdem darauf, dass der gewählte US-Präsident Joe Biden nach seinem Amtsantritt die Strafverfolgung Assanges beilegen könnte. »Biden hat direkt zu Beginn seiner Präsidentschaft die Chance, sich zu profilieren.« Joe Biden soll am 20. Januar in den USA vereidigt werden und damit die Ära Donald Trumps beenden. Die Organisation Reporter ohne Grenzen, deren Vertreter das Verfahren in London als Prozessbeobachter begleiteten, setzt sich für Pressefreiheit und den Schutz von Journalisten in aller Welt ein. Agenturen/nd

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