Petition gegen Eigenbedarfskündigungen für Mieter über 65

Mietrebell Kalle Gerigk will ältere Mieter vor Zwangsräumungen schützen – und startet eine Petition

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Kalle Gerigk musste am eigenen Leib erfahren, wie es ist, sein Zuhause zu verlieren – sein Vermieter klagte erfolgreich auf Eigenbedarf
Kalle Gerigk musste am eigenen Leib erfahren, wie es ist, sein Zuhause zu verlieren – sein Vermieter klagte erfolgreich auf Eigenbedarf

Zu Jahresbeginn sorgte ein Gerichtsurteil bundesweit für Schlagzeilen und Empörung. Die 94-jährige Paula Hilsemer aus Köln sollte ihre Wohnung verlassen, in der sie mehr als 70 Jahre gelebt hat. Die Seniorin hatte eine Eigenbedarfskündigung erhalten, die gerichtlich bestätigt wurde. Doch Hilsemer hatte Glück: Nachdem bundesweit über den Fall berichtet wurde, zog die Vermieterin die Kündigung zurück.

Viele Eigenbedarfskündigungen werden gar nicht bekannt – und auch Senioren müssen ihr Zuhause verlassen. Dagegen wendet sich eine Petition, die ein Verbot von Eigenbedarfskündigungen für Mieter über 65 Jahren fordert. Zu den Initiatoren gehört der Kölner Mietrebell Kalle Gerigk, der 2014 zur Symbolfigur für den Kampf gegen Zwangsräumungen und Gentrifizierung wurde, weil er sich öffentlichkeitswirksam gegen die Räumung aus seiner Kölner Wohnung gewehrt hatte. Seitdem engagiert sich Gerigk auch in der Partei Die Linke. Doch der Schwerpunkt seiner Aktivitäten liegt auf der Unterstützung von Mietern, denen die Räumung droht. Daher war es für ihn selbstverständlich, dass er im Januar 2025 Paula Hilsemer unterstützte. Ihre drohende Zwangsräumung war auch der Grund, warum er die Petition initiierte, die mittlerweile fast 60 000 Menschen unterzeichnet haben.

Im Gespräch mit »nd« begründet Gerigk, warum er sich auf Senioren konzentriert: »Für ältere Menschen ist das eigene Zuhause oft ein Rückzugsort, der Stabilität und Sicherheit bietet«, betont der Mietrebell. Veränderungen, die durch eine Kündigung aufgrund von Eigenbedarf entstehen, stellen eine enorme Belastung dar und können zu schwerwiegenden psychischen und physischen Gesundheitsproblemen führen. Ein tragisches Beispiel ist der Tod von Rosemarie Fließ, die 2013 nur zwei Tage nach ihrer Zwangsräumung in Berlin gestorben war.

»Ältere Menschen haben oft Schwierigkeiten, eine neue, angemessene Wohnung zu finden, die ihren Bedürfnissen entspricht. Dabei kommt es häufig vor, dass sie aufgrund von Altersdiskriminierung oder mangelnder Barrierefreiheit abgelehnt werden«, sagt Gerigk. Zudem falle es älteren Menschen oft schwer, sich schnell auf eine neue Wohnungssituation einzustellen. »Umzugskosten und die damit verbundene Stresssituation wirken sich negativ auf ihre Lebensqualität aus. Viele sind finanziell und körperlich nicht in der Lage, die Anforderungen einer solchen Situation zu bewältigen«, beklagt Gerigk.

Deshalb fordert die Petition auch, die bestehenden Mietrechtsregelungen zu überarbeiten – so, dass sie den spezifischen Bedürfnissen älterer Menschen gerecht werden. Neben dem Verbot von Eigenbedarfskündigungen für Menschen über 65 verlangt sie die Förderung von barrierefreiem und altersgerechtem Wohnraum, um älteren Menschen eine langfristige Perspektive in ihren Wohnverhältnissen zu ermöglichen.

Am 24. November will Gerigk die Petition mit den Unterstützungsunterschriften dem Bundesjustizministerium in Berlin übergeben. Begleitet wird er dabei auch von Berliner Mietaktivisten, die von Eigenbedarfskündigungen Betroffene unterstützen. Dazu gehört die Initiative »Eigenbedarf kennt keine Kündigung«. Sie fordert ein generelles Verbot von Eigenbedarfskündigungen. Kalle Gerigk sieht keinen Widerspruch zu dem Anliegen der Petition: »Wir wollen mit dem Verbot der Eigenbedarfskündigungen für Menschen über 65 die gesellschaftliche Debatte vorantreiben. Wir sehen die Forderung als ersten Baustein für ein generelles Verbot von Eigenbedarfskündigungen.«

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