Trump und Bolsonaro nach wie vor Best Buddies

Auch nach der Stürmung des Kapitols bleibt Brasiliens Präsident Donald Trump treu

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 4 Min.

Einen Tag brauchte Jair Bolsonaro, um sich zur Stürmung des US-Kapitols durch einen tobenden Mob zu äußern. Mit keinem Wort verurteilte Brasiliens Präsident die Gewaltakte, doch wiederholte er Trumps Lüge einer Wahlfälschung und sagte eine ähnliche Situation für Brasilien voraus. Sein Sohn Eduardo, ebenfalls ultrarechter Politiker, machte ein Trump-Konterfei zu seinem Profilbild bei Twitter. Überraschend ist der rechte Schulterschluss nicht. Der Bolsonaro-Klan steht Trump schon lange treu zur Seite, kopiert regelmäßig das Idol aus dem Norden. Auch die jüngsten Bilder aus Washington dürften in Brasilien genau studiert werden. Ein Drehbuch für die rechte Revolte?

Keine 24 Stunden nach dem Kapitol-Sturm säte Bolsonaro Zweifel am elektronischen Wahlsystem - obwohl es in Brasilien seit der Re-Demokratisierung 1985 keinerlei Anhaltspunkte für Wahlfälschungen gegeben hatte. Die Botschaft des ausgebildeten Fallschirmjägers ist klar: Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl 2022 werde ich nur akzeptieren, wenn ich mit überwältigender Mehrheit gewinne. Von Trump lernen, heißt Lügen lernen. Die jüngsten Bilder aus den USA sind ein Segen für Typen wie Bolsonaro. Jeder medial inszenierte Rechtsbruch öffnet autoritären Staatschefs neue Möglichkeiten, die Demokratie ein Stückchen weiter zu biegen. Wenn es im mächtigsten Land der Welt einer kleinen, im Internet radikalisierten Gruppe gelingt, die demokratischen Institutionen wortwörtlich zu überrennen, warum sollte das woanders nicht funktionieren?

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Autoritäre und antidemokratische Tendenzen haben mit dem Amtsantritt von Bolsonaro erneut Einzug in Brasilien erhalten. Mal lässt sich der Präsident auf Protesten feiern, wo für die Schließung des Kongresses demonstriert wird, mal versucht er seine Söhne vor Ermittlungen zu schützen oder beschimpft politische Gegner*innen im Kneipenjargon. Bisher schieben ihm die demokratischen Institutionen meist einen Riegel vor, die Medien berichten weiterhin kritisch und für viele Brasilianer*innen ist Bolsonaro die Hassfigur schlechthin. Dennoch hat der Präsident laut Umfragen stabile 30 Prozent der Bevölkerung auf seiner Seite – nicht trotz, sondern wegen seiner ständigen Tabubrüche, Provokationen und Hetze. Mäßigung oder ein demokratischer Ausgleich wären für dieses Geschäftsmodell des Hasses kontraproduktiv.

Und ähnlich wie in den USA hat sich im Schatten des Präsidenten ein immer lauter werdender Teil der Bevölkerung radikalisiert. Aus ihren Reihen kam es zu tätlichen Attacken auf Journalist*innen und einem von der internationalen Presse kaum beachteten Angriff auf den Obersten Gerichtshof. Neonazigruppen marschieren heute mit einem nie dagewesenen Selbstbewusstsein durch die großen Städte, Linke müssen sich nach Morddrohungen ins Ausland absetzen. Die epidemische Gewalt ist ein produktiver Boden für die Saat des rechten Terrors. Sorge sollte ebenfalls machen, dass große Teile des Militärs hinter Bolsonaro stehen, die Polizeikräfte ihm fast uneingeschränkt die Treue halten und der Bolsonaro-Klan Verbindungen zu den paramilitärischen, bis an die Zähne bewaffneten Milizen-Banden hat.

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Noch sind die demokratischen Institutionen halbwegs stabil. Und: Es ist sogar wahrscheinlich, dass diese den Antidemokraten, Waffennarren und Scharfmacher Bolsonaro überstehen. Doch sollte man nicht den Fehler machen, Trump und Bolsonaro als individuelle Phänomene und nur im Rahmen ihrer Amtszeiten zu betrachten. Denn ist es ihnen ohne Zweifel bereits gelungen, die Gesellschaft nachhaltig zu verändern. So heißt die größte Gefahr für Brasilien heute nicht Bolsonaro, sondern Bolsonarismus. Es ist ein giftiges Gemisch aus Antikommunismus, wirren Verschwörungsmythen, religiösem Fanatismus und Militarismus. In seinem Buch »Die Ingenieure des Chaos« schreibt der französisch-italienische Autor und Politikberater Giuliano da Empoli: »Wenn die aktuellen Regierungschefs und Rechtspopulisten wieder in der Versenkung verschwunden sind, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass die Wähler, die an die starken Drogen des Nationalpopulismus gewohnt sind, sich auf einmal wieder nach dem Baldrian der traditionellen Parteien zurücksehnen.«

Niklas Franzen ist freier Journalist und Brasilien-Experte. Derzeit schreibt er ein Buch über Brasilien unter Bolsonaro.

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