»Seid da, es wird wild!«

Die Erstürmung des Kapitols durch einen rechtsextremen und von Donald Trump aufgehetzten Mob war erwartbar

  • Joseph Keady, Washington
  • Lesedauer: 3 Min.

Als zehntausend Anhänger des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump am Mittwoch das Kapitol in Washington D.C. belagerten und Hunderte das Gebäude erstürmten, haben die Protagonist*innen damit für weltweites Entsetzen gesorgt. Die Ereignisse in der Hauptstadt waren jedoch zu erwarten. Seit Monaten trommelt eine Koalition aus verschiedenen Rechtsaußenbewegungen zum Aufstand und Bürgerkrieg.

Am Mittwoch hatte der US-amerikanische Kongress geplant, die Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahl formell zu bestätigen. Wahlergebnisse, die laut Trump und seinen verschwörungstheoretischen Anhängern betrügerisch sind und eine Bedrohung für die Republik darstellen. Wer so denkt, für den war die Belagerung des Kongresses nicht nur eine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit.

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Bereits am 20. Dezember twitterte Trump, dass es »statistisch unmöglich« wäre, dass er die Präsidentschaftswahl 2020 verloren hat. Schon damals lud er seine Anhänger zu einem »großen Protest in DC« am 6. Januar ein. »Seid da«, schrieb Trump, »es wird wild!«

In den vergangenen Wochen hatte eine Onlinegruppe namens »Donald´s Army« Pläne veröffentlicht, die Unterstützer*innen des Präsidenten ermutigten, Demonstrationszüge aus jedem Teil des Landes zu bilden, um in die Hauptstadt Washington D.C. »hereinzubrechen«. Landkarten zeigten die Zeiten und Orte, wo die Teilnehmer*innen sich treffen sowie einen Plan, wie sie das Kapitol belagern können. Mittlerweile sind Menschen in weiteren Onlineforen mit einer ähnlich gewaltsamen Rhetorik aufgefallen. Als beispielsweise ein Benutzer der Website TheDonald fragte »Was geschieht, wenn der Kongress das Beweismaterial (für die Wahlfälschung) nicht beachtet?«, kam dort als Antwort: Dann müsse man »das Kapitol erstürmen!« Und über den Telegram-Messenger schrieb ein Benutzer bereits zu Silvester in der landesweiten Gruppe »Ten Million to Washington«, dass er eine »schöne Gruppe aus mindestens fünf bis zehn starken Männern« suche, mit denen er das Kapitol erstürmen wolle.

Dieser Benutzer bezeichnet sich als Mitglied der rechtsextremistischen Gruppe »The Proud Boys«. Diese spielte bereits während zweier gewaltsamer rechter Mobilmachungen im November und im Dezember in Washington eine entscheidende Rolle. Der Führer der »Proud Boys«, Enrique Tarrio, hatte angekündigt, dass er mehr als 1000 Mitglieder der Gruppierung zu den Protesten gegen den angeblichen Wahlbetrug in die Hauptstadt bringen wolle. Sofort nach seiner Ankunft in Washington wurde Tarrio allerdings wegen illegalen Waffenbesitzes verhaftet und der Stadt verwiesen.

Während der Erstürmung des Kapitols postete er auf der dem Präsidenten nahestehenden Social-Media-Plattform »Parler« ein Bild, das scheinbar verängstigte Kongressabgeordnete zeigt. Sie verstecken sich hinter Stühlen. Als Bildunterschrift schrieb Tarrio: »Wenn das Volk die Regierung fürchtet, so gibt es Tyrannei … Wenn die Regierung das Volk fürchtet …, so gibt es Freiheit.« Ein weiteres Mitglied der rechtsextremen »Proud Boys«, Jeremy Bertino, sieht in den Ereignissen nun eine verpasste Gelegenheit, da die Teilnehmenden sich scheuten, sie »zur nächsten Ebene zu führen«.

Unter den Aufrührern im Kapitol fanden sich weitere bekannte Rechtsextremisten wie der Neonazi Tim Gionet, der auch als »Baked Alaska« bekannt ist. Gionet war als Redner an der »Unite the Right«-Kundgebung in Charlottesville, Virginia, im August 2017 beteiligt. Nach der Demonstration kam es zu einem tödlichen Übergriff auf Gegendemonstrant*innen. Während der Erstürmung des Kapitols streamte Gionet durchgängig.

Trotzdem ist ein Teil der rechten Verschwörungstheoretiker*innen besessen von der Idee, dass Antifaschist*innen das Gebäude gestürmt hätten. Die Trump-Anhängerin Sidney Powell twitterte, dass es »AntifaTerrorists« gewesen seien, die mit der Gewalt begonnen hätten.

Nach den Ausschreitungen am Mittwoch verlängerte die Bürgermeisterin der Stadt den Notstand. Es sei zu erwarten, dass einige Trump-Unterstützer ihre gewalttätigen Proteste bis zur Amtseinführung Bidens fortsetzen, so die Begründung.

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