Die Sache mit dem Powidl

Woher die Taschkerln kommen - und wie man sie zubereitet

  • Peter Porsch
  • Lesedauer: 3 Min.

Wir haben in letzter Zeit genug Fleisch gegessen, meinte Dr. Schmidt neulich in seinem Wochenend-Gepräch zu künstlichem Fleisch. Ich meine das auch. Da wird es Zeit für eine wirklich billige Mehlspeise, die er in der Woche zuvor im Interview über Knödel und Klöße erwähnte: die Powidlta(t)schkerln.

Bevor wir uns dem Rezept widmen, brauchen wir etwas Unterricht in Etymologie, in der Lehre von der Herkunft von Wörtern. »Powidltaschkerln« oder »Powidltatschkerln« kommt aus dem Tschechischen. Das werden alle, die diese Speise kennen, sehr schnell behaupten, und im Grunde stimmt es ja auch. Der erste Teil des Wortes ist eindeutig das tschechische »povidla«, was Pflaumenmus ist - dies aber nur in Deutschland. In Österreich ist und bleibt es »Powidl«.

Von Pflaumen und Fummeln

In der regelmäßigen Wochenend-Rubrik »Dr. Schmidt erklärt die Welt« behauptete unser Wissenschaftsredakteur Steffen Schmidt leichtsinnig, Powidltaschkerln seien Klöße mit Pflaumen im Inneren (»Semmelknödel oder Kartoffelkloß?«, »nd.DieWoche, 9./10.1., S. 24).

Die Älteren werden sich entsinnen, dass der Schlagersänger Peter Alexander dieser Speise ein Lied gewidmet hatte, welches in der Feststellung gipfelte: »Denn so ein Tatschkerl, so ein powidales, / Das ist doch wirklich etwas Pyramidonales!« Auch Lutz Jahoda interpretierte übrigens diesen Schlager. Dass die Taschkerln (oder Tatschkerln) pyramidonal sind, würde unser Leser Prof. Peter Porsch sicher unterschreiben. Wogegen er allerdings energischen Widerspruch einlegt: dass es sich um Klöße mit einer Pflaume handeln soll. Nein, es sind Teigtaschen. Der Sprachwissenschaftler und gebürtige Wiener, der seit Jahrzehnten in Sachsen lebt, klärt uns hier über die Wortentstehung auf - und liefert gleich noch das Rezept dazu.

Unseren Leser Lothar Waide aus Halle erinnerte der Artikel »Alle Jahre wieder ...«, in dem Heidi Diehl die vorweihnachtliche Stollentradition ihrer Eltern beschrieb (»nd.Commune« , 24.12., S. 3), an einen anderen Bäckerbrauch: die »Fummel« aus Meißen. Was das ist und wie es entstanden sein soll, möchten wir Ihnen nicht vorenthalten. nd

Komplizierter ist der zweite Teil: »Ta(t)schkerl« kommt wohl auch aus dem Tschechischen, nämlich von »taški«. Dieses aber war zuvor aus dem Deutschen ins Tschechische eingedrungen und ahmt lautlich das Wort »Tasche« nach.

Mit dieser Erkenntnis sind wir von der Etymologie plötzlich bei der Volkskunde gelandet: Die armen Leute in Wien waren oft tschechische Zuwanderer (Arbeiter oder Handwerker, besonders Schneider und Schuster) oder ihre Nachfahren, die eben Tschechisch sprachen; und bei den reichen Leuten war die Köchin meist aus Tschechien, sodass sie tschechische Speisen oder wenigstens deren tschechische Namen auf den Speisezettel brachte. Das Deutsch der feinen Leute wurde auf Tschechisch ausgesprochen, und zwar oft so, dass die feinen Leute es gar nicht wiedererkannten und nun wiederum selbst auszusprechen probierten. So entsteht die Kette Tasche - taški - Ta(t)schkerl. Sehr gebildete Leute versuchen uns deshalb sogar einzureden, diese köstliche Speise heiße »Powidltascherl« - so ein Blödsinn!

Das Rezept ist einfach: Wir bereiten einen Erdäpfelteig zu, wie wir ihn von Knödeln kennen. Man koche (je nach Anzahl der Esser*innen) festkochende, schon etwas abgelagerte Erdäpfel mit der Schale (Kochzeit eine halbe Stunde). Faustregel: Aus einem Erdapfel werden etwa zwei Knödel. Die gekochten Erdäpfel schälen und etwas abkühlen lassen; danach auf ein vorbereitetes Mehlbett quetschen.

Mit einer Prise Salz und weiterem Mehl einen Teig kneten, der nur mehr wenig an den Händen klebt (Vorsicht: zu viel Mehl macht einen faden Geschmack; entgegen manchmal vorgebrachter Meinung wird kein Ei für den Teig verwendet).

Aus diesem Teig machen wir keine Knödel, sondern wir drücken oder walzen den Teig sehr flach aus und schneiden ihn in Kreise oder Vierecke (reichlich handtellergroß). In die Mitte des Kreises bzw. Vierecks kommt ein Klecks Powidl (etwa ein Teelöffel). Niemals aber kommt in die Ta(t)schkerln eine Pflaume, wie Dr. Schmidt behauptete.

Dann schlagen wir die Scheibe oder das Viereck übereinander, sodass ein mit Powidl gefülltes Dreieck oder ein ebensolcher Halbkreis entsteht. Die Ränder pressen wir fest ineinander. Die Ta(t)schkerln geben wir in sprudelnd heißes Salzwasser und lassen sie so lange kochen, bis sie oben schwimmen.

Die gekochten Ta(t)schkerln wälzen wir in angebräunten Semmelbröseln, bis sie vollständig damit bedeckt sind. Abschließend werden sie mit Zucker bestreut serviert. Man rechnet mit mindestens zehn bis zwölf Ta(t)schkerln pro Person.

Bier schmeckt hierzu übrigens nicht so besonders (es wäre schade um beides, das Bier und die Powidlta(t)schkerln). Also nimmt man Weißwein oder Fruchtsaft. Ein Schnapserl hinterher kann nur Kleinkindern schaden, ansonsten vollendet es den Genuss.

Weitere Rezepte aus der österreichisch-böhmischen Küche, nicht wenige mit sprach- und kulturhistorischen Erläuterungen, unter: peter-porsch.de

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